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Der neue Schattenkrieg: Wie Drohnen Lateinamerikas Kriminalität revolutionieren

In den Händen organisierter Kriminalität werden Drohnen zu einer tödlichen Waffe. Was einst als technologisches Hilfsmittel für Industrie und Freizeit begann, ist heute ein strategischer Gamechanger im Drogenhandel, bei Angriffen auf Sicherheitskräfte und zur Einschüchterung der Bevölkerung. In Lateinamerika – besonders in Mexiko, Kolumbien, Brasilien und Panama – setzen Kartelle und kriminelle Milizen zunehmend auf Drohnentechnologie, um sich einen taktischen Vorteil zu verschaffen.

Ein Beispiel für diese Entwicklung liefert Haitis berüchtigter Gangführer Jimmy Chérizier alias „Barbecue“. Nachdem er einen Polizeieinsatz in Port-au-Prince unbeschadet überstanden hatte, drohte er in einem Video mit Vergeltung durch sprengstoffbeladene Drohnen. Seine Botschaft war unmissverständlich: „Ihr habt versucht, mich mit Drohnen zu töten – ich kann sie genauso gut gegen euch einsetzen.“

Kartelle und Milizen setzen auf unbemannte Kriegsführung

Mexikos mächtigste Drogenkartelle – darunter das Cártel Jalisco Nueva Generación (CJNG) und das Sinaloa-Kartell – haben Drohnen längst in ihr Arsenal integriert. Die unbemannten Fluggeräte übernehmen Aufgaben in der Aufklärung, elektronischen Kriegsführung und sogar in gezielten Luftangriffen mit improvisierten Bomben. Die Kartelle haben sich dabei militärische Strukturen zugelegt: Das CJNG unterhält eine eigene Einheit von „Drohnen-Operatoren“, die sich mit Abzeichen und Insignien als Spezialisten für den Luftkrieg ausweisen. Ihre Einsätze dokumentieren sie in Social-Media-Videos – eine perfide Mischung aus Propaganda und psychologischer Kriegsführung.

Nicht nur in Mexiko, sondern auch in Kolumbien und Brasilien haben bewaffnete Gruppen Drohnen als neue Waffe entdeckt. In den Favelas von São Paulo nutzt das Primeiro Comando da Capital (PCC) Drohnen, um seine Gebiete zu überwachen. In Kolumbien setzen dissidente FARC-Kämpfer Drohnen gegen Regierungstruppen ein.

Drohnen als moderne Schmuggler

Die Anfänge dieser Entwicklung reichen bis in die Gefängnisse Lateinamerikas. Wo früher Brieftauben genutzt wurden, um Nachrichten und kleine Pakete zu übermitteln, übernehmen heute Drohnen den Schmuggel von Waffen, Drogen und Mobiltelefonen. In Panama wurden allein im Jahr 2023 über 1.500 Drohnen sichergestellt, die verbotene Waren in Gefängnisse transportierten.

Luftangriffe mit Chemiewaffen

Besonders alarmierend ist die jüngste Eskalation: In Michoacán setzte das CJNG erstmals Drohnen mit chemischen Kampfstoffen ein. Zivile Opfer berichteten von Atemnot und Vergiftungserscheinungen nach Angriffen mit explosiven Gasbomben. Diese Taktik, die stark an die Giftgasangriffe des Ersten Weltkriegs erinnert, zeigt, wie weit die technologischen Experimente der Kartelle bereits fortgeschritten sind.

Während Sicherheitsbehörden verzweifelt nach Gegenmaßnahmen suchen, haben die Kriminellen längst den nächsten Schritt gemacht: Sie lassen sich von internationalen Konflikten inspirieren. Der Krieg in der Ukraine hat bewiesen, wie effektiv Kamikaze-Drohnen und KI-gesteuerte Sprengstoffdrohnen sein können. Lateinamerikas Kartelle ziehen daraus ihre eigenen Lehren – und könnten bald über eine Drohnenflotte verfügen, die selbst hochgerüstete Sicherheitskräfte vor gewaltige Herausforderungen stellt.

Der Drohnenkrieg in Lateinamerika ist längst Realität. Die Frage ist nicht mehr, ob Kriminelle die Technologie nutzen – sondern nur noch, wie weit sie bereit sind zu gehen.

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