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Die 7-K-Regel – So triffst du in der Krise die richtige Entscheidung: Bleiben oder Fliehen?

Von André Schmitt (Ex-KSK, Profiler und Mediator)

Wenn die Welt um dich herum aus den Fugen gerät, entscheidet oft ein einziger Gedanke über Sicherheit oder Chaos: Bleibe ich, oder gehe ich? Diese Frage ist weder philosophisch noch bequem – sie ist brutal praktisch. In einer echten Krisenlage gibt es keine zweite Chance, den richtigen Moment nachzuholen. Wer zu spät geht, bleibt im Stau stecken. Wer zu früh flieht, gerät womöglich unnötig in Gefahr oder lässt Ressourcen zurück, die er noch gebraucht hätte.

Genau dafür gibt es ein System, das dir hilft, diese Entscheidung nicht aus Angst, sondern mit Verstand zu treffen: die 7-K-Regel.


Was ist die 7-K-Regel?

Die 7-K-Regel ist ein praxisorientiertes Entscheidungssystem, das sieben entscheidende Faktoren berücksichtigt, die du in jeder Krise bewerten solltest, um zu erkennen, ob du Bug In (also bleiben) oder Bug Out (also fliehen) solltest. Sie bringt Klarheit in eine der schwierigsten Lagen, in der du möglicherweise jemals stehst – wenn du in Sekunden oder Minuten handeln musst.


Die 7 Ks im Überblick:

1. Kontext der Krise

Nicht jede Krise verlangt eine Flucht. Aber nicht jede erlaubt es dir, zu Hause zu bleiben.

  • Ist die Krise lokal (z. B. Hochwasser, Chemieunfall, Anschlag), kann es sinnvoll sein, den Gefahrenbereich zu verlassen.
  • Ist sie überregional (z. B. Pandemie, Stromausfall, Cyberangriff), ist dein Zuhause oft der sicherste Ort – wenn du vorbereitet bist.
  • Ist sie dynamisch und eskalierend (z. B. Bürgerkrieg, martialisches Aufbegehren, Plünderungen), musst du beobachten, ob dein Ort zur Falle wird.

Frage: Was ist die Natur der Krise – und wie nah ist sie mir wirklich?


2. Kapazität des eigenen Ortes

Dein Zuhause ist nur so sicher wie die Ressourcen, die du dort hast – und wie lange sie halten.

  • Hast du Trinkwasser, Nahrung, Energiequellen, medizinische Versorgung und Sicherheit für mindestens 7–14 Tage?
  • Ist dein Haus unauffällig, stabil, verteidigungsfähig oder liegt es offen und exponiert?

Frage: Kann ich hier sicher überleben – oder wäre es ein Risiko, zu bleiben?


3. Kollektive Dynamik

Die Masse wird in der Krise zur unberechenbaren Größe. In ruhigen Vororten kann kollektive Stabilität herrschen – in Ballungszentren, sozialen Brennpunkten oder Großwohnsiedlungen nicht.

  • Beginnen Nachbarn zu plündern?
  • Werden Helfer zur Zielscheibe?
  • Wie verhalten sich Polizei und Sicherheitskräfte?

Frage: Wie stabil oder explosiv ist die soziale Umgebung um mich herum?


4. Kartenlage & Infrastruktur

Flucht ist nur dann eine Option, wenn sie realistisch durchführbar ist.

  • Sind Straßen offen oder blockiert?
  • Gibt es Alternativrouten, Umgehungen, bekannte Schleichwege?
  • Komme ich schnell genug weit genug, bevor die Massen denselben Weg wählen?

Frage: Gibt es einen gangbaren Weg – oder ist die Route selbst zur Falle geworden?


5. Kenntnis des Zielorts

Viele haben einen Fluchtrucksack – aber kein Ziel. Dabei ist es entscheidend, wohin du gehst, was dich dort erwartet und wie du dort leben kannst.

  • Ist dein Bug-Out-Ort vorbereitet mit Vorräten, Unterkunft, Wärme, Schutz?
  • Hast du dort Vertrauenspersonen, Schutzgemeinschaften oder Netzwerke?
  • Wie lange kannst du dort autark leben?

Frage: Fliehe ich ins Ungewisse – oder in eine vorbereitete Zweitbasis?


6. Kompetenz der Begleitpersonen

Krisenentscheidungen hängen nicht nur von dir ab – sondern auch von deiner Gruppe.

  • Hast du Kinder, Pflegebedürftige, Haustiere?
  • Können sie den Weg durchhalten, sich verbergen, ruhig bleiben?
  • Bist du allein oder mit Personen unterwegs, die auf dich angewiesen sind?

Frage: Wird meine Gruppe zur Stärke oder zur Schwäche in der Bewegung?


7. Kommunikation und Timing

Entscheidend ist oft nicht nur was, sondern wann du entscheidest.

  • Hast du Informationen aus verschiedenen, verlässlichen Kanälen?
  • Bist du in der Lage, frühzeitig zu handeln, wenn sich Gefahr ankündigt?
  • Reagierst du auf Panik – oder auf faktenbasierte Lagebeurteilung?

Frage: Bin ich noch rechtzeitig – oder bereits zu spät?


Anwendung in der Praxis

Die 7-K-Regel ist kein starres System, sondern ein dynamisches Bewertungstool. In der Praxis solltest du in ruhigen Zeiten ein Notfallprotokoll erstellen, das die 7 Ks durchgeht – und in der Krise regelmäßig aktualisieren.

Beispiel: Stromausfall + Plünderungen + Polizeirückzug in deiner Stadt

  • Kontext: Stromausfall überregional → potenziell Bug In.
  • Kapazität: Du hast Nahrung und Wasser für 14 Tage.
  • Kollektiv: Erste Plünderungen im Umkreis, Polizei zieht sich zurück.
  • Kartenlage: Fluchtwege sind noch offen, aber viele andere sind unterwegs.
  • Kenntnis Zielort: Du hast eine vorbereitete Hütte im Wald mit Vorräten.
  • Kompetenz: Du bist allein, voll mobil.
  • Kommunikation: Mobilfunk schwach, Funkkontakt mit Vertrauten steht.

Entscheidung: Früher Bug Out sinnvoll, bevor die Straßen gesperrt oder gefährlich werden.


Fazit: Entscheide nicht aus Panik – entscheide mit System.

Die 7-K-Regel gibt dir eine strukturierte Möglichkeit, in einer chaotischen Situation einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie ersetzt keine Vorbereitung – aber sie verbessert deine Entscheidungsqualität enorm.
Denn in der Krise gilt: Nicht der Stärkste überlebt – sondern der Klügste, der sich früh genug bewegt.

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