Die unsichtbare Front – Wie China mit Seltenen Erden den globalen Machtkampf neu definiertEin Bericht
Als ehemaliger Kommandosoldat des KSK habe ich viele Schlachtfelder gesehen. Manche waren sichtbar, andere verborgen. Doch was sich heute auf den internationalen Handelsrouten abspielt, ist eine neue Art von Krieg – ein ökonomisch-strategischer Stellungskrieg, bei dem die Waffen keine Patronen sind, sondern Rohstoffe. Allen voran: Seltene Erden.
Was die wenigsten realisieren – oder realisieren wollen – ist, dass China längst nicht mehr nur auf den klassischen wirtschaftlichen Aufstieg setzt. Peking spielt ein Spiel, das tief im Innersten der globalen Lieferketten beginnt – und dort aufhört, wo unsere technologische Souveränität endet. Wer kontrolliert, was andere brauchen, kontrolliert auch, was andere tun. Das hat China verstanden – und in den letzten Jahren systematisch perfektioniert.
Das neue Schlachtfeld: Lieferkettenkontrolle statt Panzer
China kontrolliert derzeit rund 70 % der weltweiten Förderung und nahezu 90 % der Verarbeitung seltener Erden. Diese Metalle sind essenziell für moderne Hochtechnologie – von E-Auto-Motoren über Raketensysteme bis hin zu Smartphones. Und wer kontrolliert, wer diese Metalle bekommt – und wann – kontrolliert damit die Innovationskraft ganzer Volkswirtschaften.
In Gesprächen mit westlichen Analysten höre ich oft die gleichen Fragen: „Wird China wirklich den Hahn zudrehen?“ – Falsch gefragt. China hat bereits begonnen. Die Einführung von Exportlizenzen im April war kein taktischer Reflex, sondern ein strategischer Schachzug. Mit chirurgischer Präzision nutzt Peking seine Kontrolle, um politische und wirtschaftliche Signale zu setzen. Offiziell ist alles konform mit den internationalen Regeln. Inoffiziell? Eine Machtdemonstration par excellence.
Der lange Schatten Deng Xiaopings
Bereits 1992 sagte Deng Xiaoping: „Der Nahe Osten hat Öl, China hat Seltene Erden.“ Was damals wie ein geopolitischer Nebensatz klang, ist heute Realität. Über Jahrzehnte hat die Volksrepublik ihre Lieferkettenstruktur wie ein strategisches Waffenarsenal aufgebaut – geduldig, geräuschlos, aber mit klarer Zielsetzung: Einsetzbar im Ernstfall. Und der ist jetzt.
In Gesprächen mit europäischen Zulieferern aus der Automobilindustrie wird klar: Produktionslinien stehen still, Lager sind leer, Planbarkeit schwindet. Der wirtschaftliche Pulsschlag zittert. Dabei handelt China mit einer kalten Effizienz, die an Präzisionsschläge erinnert. Keine Generalblockade – sondern selektive Nadelstiche. Wer betroffen ist, merkt es schnell. Wer zuschaut, glaubt an Zufall.
Die neue Informationshoheit
Was viele übersehen: Diese Exportkontrollen sind nicht nur ein ökonomisches Werkzeug. Sie sind ein nachrichtendienstliches Fenster. Durch die Lizenzpflicht erhält Peking Einblick in globale Produktionsketten, Endverwendungen und strategische Schwachstellen westlicher Industrien. Es ist ein Datengoldschatz – gewonnen ohne Spione, allein durch Bürokratie. Wer braucht was, wann und in welchem Volumen? China weiß es. Und das ist brandgefährlich.
Die westliche Antwort? Träge, zersplittert, naiv
Während China zentralistisch und strategisch agiert, ist der Westen nach wie vor zersplittert. Statt einer konzertierten Antwort erleben wir nationale Alleingänge, regulatorische Trägheit und eine politische Kurzsichtigkeit, die ihresgleichen sucht. Wer glaubt, mit Subventionen für lokale Raffinerien sei das Problem gelöst, unterschätzt die Komplexität des Materials – und die strategische Tiefe des Gegners.
Fazit: Der Kalte Krieg 2.0 hat längst begonnen
Nur diesmal fliegen keine Raketen – es sind Entscheidungen über Exportlizenzen, Produktionsausfälle und Lieferketten, die den Ton angeben. Und China führt nicht nur mit – es diktiert die Spielregeln.
Als jemand, der gelernt hat, operative Dominanz im Gelände zu erkennen und zu nutzen, sage ich: Wir stehen mitten in einem Ressourcenkrieg, der als Handelsstreit getarnt ist. Und wer jetzt nicht strategisch handelt, wird morgen fremdbestimmt agieren müssen.
Wir brauchen keine Panzer. Wir brauchen strategische Resilienz, Souveränität in der Rohstoffversorgung – und einen klaren Blick für das, was wirklich auf dem Spiel steht: die Unabhängigkeit unserer Zivilisation.
– André Schmitt
Ehem. KSK, Berater für strategische Wirtschaftssicherheit und globale Mediation