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„Ein nukleares 9/11: Warum wir die Gefahr nicht ignorieren dürfen“

Über zwanzig Jahre sind seit den Anschlägen des 11. Septembers vergangen, doch die Bedrohung durch ein noch verheerenderes Szenario – den nuklearen Terrorismus – schwebt weiterhin wie ein Damoklesschwert über der globalen Sicherheit. Die Vorstellung eines „nuklearen 9/11“, bei dem Terroristen eine improvisierte Atombombe in einer Großstadt zünden, ist eine Bedrohung, die Entscheidungsträger nicht ignorieren dürfen. Trotz Fortschritten in der Terrorismusbekämpfung und der Sicherung nuklearer Materialien bleibt die gefährliche Schnittstelle aus extremistischen Motiven, technologischen Möglichkeiten und zugänglichen Gelegenheiten eine reale Gefahr.


Warum nuklearer Terrorismus für Extremisten so verlockend ist

Die Motivation extremistischer Gruppen, ihren vermeintlichen Feinden massiven Schaden zuzufügen, ist ungebrochen. Organisationen wie al-Qaida und der Islamische Staat mögen in ihrer operativen Kapazität geschwächt sein, doch ihr Streben nach zerstörerischen Anschlägen ist unvermindert. Die Symbolkraft und der psychologische Schock eines nuklearen Angriffs – ein Atompilz über einer Großstadt – bleiben ein Ziel, das extremistische Gruppen anzieht, die nach globaler Aufmerksamkeit und Einfluss in der radikalen Szene streben.

Al-Qaida hat in der Vergangenheit offen ihre Ambitionen geäußert, Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Der ehemalige Sprecher Sulaiman Abu Ghaith erklärte, man habe das „Recht, vier Millionen Amerikaner zu töten“. Während konventionelle Angriffe in den letzten Jahren dominierten, bleibt die Vorstellung einer nuklearen Waffe, die den politischen und gesellschaftlichen Status quo erschüttern könnte, ein unwiderstehlicher Reiz für solche Gruppen.


Wie real ist die Gefahr?

Die technischen Hürden für den Bau einer Atomwaffe sind hoch, aber nicht unüberwindbar. Mit Zugang zu hochangereichertem Uran (HEU) oder Plutonium könnte eine entschlossene und gut finanzierte Terrorgruppe eine einfache Bombe – eine sogenannte „Gun-Type-Bombe“ – bauen. Diese erfordert keine fortgeschrittene Ingenieurskunst und kann auch ohne die Infrastruktur eines staatlichen Nuklearprogramms realisiert werden.

Die Geschichte zeigt, dass diese Gefahr nicht nur theoretisch ist. Al-Qaida führte Tests mit konventionellen Sprengstoffen in Afghanistan durch und traf sich mit pakistanischen Nuklearwissenschaftlern. Der rasche Aufstieg des Islamischen Staates im Jahr 2014, als die Gruppe von der Bedeutungslosigkeit zur Kontrolle großer Gebiete gelangte, zeigt, wie schnell Extremisten ihre Operationsfähigkeit ausbauen können, wenn sie die Gelegenheit erhalten.

Selbst wenn die Führungsebene großer Gruppen durch Anti-Terror-Kampagnen dezimiert wurde, bleibt die Gefahr durch dezentralisierte Netzwerke und die Verbreitung von Wissen im Internet bestehen. Eine kleine, unauffällige Zelle könnte unbemerkt an der Verwirklichung eines nuklearen Plans arbeiten.


Sind nukleare Materialien sicher?

Weltweit wurden bedeutende Fortschritte bei der Sicherung von Spaltmaterialien erzielt. Die von der Obama-Regierung initiierten Nuklearsicherheitsgipfel führten zu strengeren Kontrollen und zur Entfernung gefährlicher Materialien aus mehreren Ländern. Die Zahl der Vorfälle, bei denen HEU oder Plutonium gestohlen wurde, ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen.

Doch diese Erfolge bergen die Gefahr von Selbstzufriedenheit. Der Schwung, nukleare Sicherheitsmaßnahmen weiter zu verbessern, hat nachgelassen. Viele Anlagen, die gefährliche Materialien lagern, bleiben anfällig für Bedrohungen von innen – der häufigste Weg, wie nukleare Materialien gestohlen werden.

Die zunehmende Zahl an inländischen Extremisten in Demokratien wie den USA verschärft das Risiko. Disziplinlose oder unzufriedene Einzelpersonen mit Zugang zu sensiblen Materialien könnten eine tödliche Kombination darstellen.


Die katastrophalen Folgen eines nuklearen 9/11

Die Explosion einer Atombombe in einer Metropole wäre eine beispiellose Katastrophe. Hunderttausende würden durch die Explosion sterben, Millionen weitere unter den langfristigen Folgen von Strahlung leiden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen könnten eine weltweite Depression auslösen. Gesellschaftlich und politisch würde die Welt sich grundlegend verändern: Panik, Massenflucht aus Städten und drastische Einschränkungen der Bürgerrechte wären unvermeidlich.

Die bloße Behauptung der Täter, weitere Bomben versteckt zu haben, könnte ein Klima der Angst und des Misstrauens schüren. Im Vergleich zu den gesellschaftlichen Spaltungen und den erweiterten Überwachungsmaßnahmen nach 9/11 wäre die Welt nach einem nuklearen Anschlag eine noch chaotischere und restriktivere.


Ein Weckruf: Globale Zusammenarbeit stärken

US-Präsident Joe Biden hat die Gefahren des nuklearen Terrorismus anerkannt, doch Worte allein reichen nicht aus. Eine erneuerte und umfassende Initiative zur nuklearen Sicherheit ist dringend erforderlich, um den sich wandelnden Bedrohungen gerecht zu werden. Ein solcher Ansatz sollte folgende Maßnahmen beinhalten:

  1. Höhere Sicherheitsstandards: Nuklearmaterialien und -anlagen müssen gegen Insider- und Outsider-Bedrohungen geschützt werden.
  2. Globale Partnerschaften: Internationale Kooperationen zur Verfolgung von Schmuggelnetzwerken und zur Sicherung von Materialien stärken.
  3. Realistische Tests: Schwachstellen in Sicherheitsmaßnahmen durch rigorose Prüfungen aufdecken und beheben.
  4. Kultureller Wandel: Sicherheit als oberste Priorität in Nuklearanlagen etablieren und das Bewusstsein für potenzielle Risiken schärfen.
  5. Intensivere Geheimdienstkooperation: Globale Netzwerke nutzen, um terroristische Pläne frühzeitig aufzudecken und zu verhindern.

Fazit

Die Bedrohung durch nuklearen Terrorismus ist so lange präsent, wie extremistisches Gedankengut und ungesicherte nukleare Materialien existieren. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines solchen Angriffs gering erscheint, machen die potenziell verheerenden Folgen eine anhaltende Wachsamkeit und proaktive Maßnahmen notwendig. Zwei Jahrzehnte nach 9/11 bleibt die Lektion klar: Bedrohungen mit geringer Wahrscheinlichkeit, aber hoher Wirkung zu ignorieren, ist keine Option. Jetzt ist die Zeit zu handeln, um zukünftige Generationen vor den Schrecken eines nuklearen Angriffs zu schützen.

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