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Erlernte Hilflosigkeit – Wenn das System dich müde macht, bevor du rebellierst

Manchmal ist es nicht der Schlag, der dich bricht – sondern das ständige Warten darauf. Es ist nicht die Gewalt, die dich lähmt – sondern die Aussichtslosigkeit, etwas ändern zu können. Und es ist nicht der Verlust der Freiheit, der dich ruhigstellt – sondern die innere Überzeugung, dass dein Handeln ohnehin nichts bewirkt. Willkommen in der Welt der erlernten Hilflosigkeit.

Der Begriff stammt aus der psychologischen Forschung der 1960er-Jahre. Der US-Psychologe Martin Seligman experimentierte mit Hunden, die Stromschläge erhielten. Einige konnten diesen entkommen – andere nicht. Und obwohl später alle Hunde die Möglichkeit zur Flucht gehabt hätten, blieben diejenigen liegen, die vorher gelernt hatten: Es bringt nichts. Sie hatten sich aufgegeben – obwohl sie faktisch frei gewesen wären. Das war die Geburtsstunde eines der beunruhigendsten psychologischen Konzepte unserer Zeit: Erlernte Hilflosigkeit.

Übertragen auf den Menschen bedeutet das: Wer wiederholt erlebt, dass seine Handlungen keine Veränderung bewirken, beginnt irgendwann aufzuhören zu handeln. Egal wie intelligent, gebildet oder stark er war – er gibt auf. Nicht weil er nicht mehr kann. Sondern weil er glaubt, dass es sinnlos ist.

Und genau dieser Mechanismus scheint heute gezielt, schleichend und systematisch in unsere Gesellschaft getragen worden zu sein. Die Methoden? Modern. Die Wirkung? Klassisch.

Permanent wechselnde Krisennarrative: Pandemie, Krieg, Inflation, Klimakatastrophe, Terrorgefahr. Jeder Tag bringt neue Schlagzeilen, neue Bedrohungen, neue „dringende Maßnahmen“. Der Bürger wird nicht zum Handeln motiviert, sondern zur Dauerbeobachtung verdonnert. Warten, zittern, hoffen. Eine toxische Mischung aus Überforderung und Ohnmacht.

Regeländerungen im Wochentakt: Mal darfst du dies, dann das nicht. Was gestern galt, ist heute falsch, was heute stimmt, ist morgen radikal. Die Unvorhersehbarkeit politischer und sozialer Regeln erzeugt Unsicherheit – und damit Resignation. Die Botschaft an dein Unterbewusstsein: „Egal, was du tust – du machst es eh falsch.“

Erniedrigung durch systemische Abwertung: Kritiker werden nicht mehr widerlegt, sondern entwertet. Wer fragt, wird zum Außenseiter. Wer zweifelt, wird etikettiert. Die Meinung zählt nicht mehr, wenn sie nicht zur Linie passt. Die Wirkung: Viele ziehen sich zurück, nicht weil sie überzeugt sind – sondern weil sie müde sind.

Und aus dieser Müdigkeit entsteht das, was gefährlicher ist als jeder Protest: stille Akzeptanz. Das Gefühl, nichts ändern zu können, führt nicht zur Rebellion – sondern zur stillen Kapitulation. Menschen funktionieren weiter, stehen auf, gehen zur Arbeit, nicken bei Pressekonferenzen. Und merken gar nicht, dass sie längst innerlich geknebelt sind. Nicht durch Gewalt. Sondern durch die Überzeugung, dass Widerstand sinnlos sei.

Genau das ist das Ziel: Ein Mensch, der innerlich aufgibt, muss äußerlich nicht mehr kontrolliert werden. Ein Bürger, der keine Hoffnung mehr auf Besserung hat, wird nicht mehr kämpfen. Er wartet. Und wer wartet, verliert – immer.

Doch Seligman fand auch etwas anderes heraus. Er konnte die erlernte Hilflosigkeit rückgängig machen. Die Hunde, die sich aufgegeben hatten, konnten wieder lernen zu handeln – wenn man sie dazu brachte, eine bewusste Handlung mit einer spürbaren Veränderung zu verbinden. Übertragen auf uns heißt das: Aktivität ist der Feind der Ohnmacht.

Wer wieder beginnt, selbst zu denken, selbst zu handeln, selbst zu gestalten – durchbricht die Kette. Wer wieder Verantwortung übernimmt – für sein Umfeld, seine Familie, sein Denken – entzieht sich der Matrix der Passivität. Es braucht keinen Aufstand. Es braucht Bewusstheit.

Denn das größte Risiko unserer Zeit ist nicht der Kontrollstaat, nicht der Krieg, nicht der Stromausfall. Es ist der Moment, in dem du aufhörst zu glauben, dass dein Handeln zählt. Dann nämlich hast du nicht nur verloren – du merkst es noch nicht einmal mehr.

Erlernte Hilflosigkeit ist kein Zustand. Sie ist ein Trainingsprozess. Aber wie jedes Training kann man ihn stoppen. Man kann umlernen. Und genau deshalb beginnt jeder Wandel nicht im Parlament, nicht in der Zeitung, nicht auf der Straße – sondern in deinem Kopf.

Wenn du dich erinnerst, dass du Einfluss hast – selbst wenn er klein scheint –, beginnt der Bruch. Und plötzlich ist das System nicht mehr allmächtig. Sondern du bist wieder ein Mensch. Handlungsfähig. Widerständig. Lebendig.

Und das ist genau das, was sie fürchten.

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