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Friedensillusion – Warum der Westen schläft, während die Welt sich bewaffnet


Autor: André Schmitt (Ex-KSK, Profiler und Mediator)

Frieden ist kein Zustand. Frieden ist eine Pause. Eine Verschnaufpause zwischen zwei Interessen, zwei Machtblöcken, zwei Gewaltakten. Wer heute im Westen lebt und glaubt, dass diese Phase der Stille ein Dauerzustand sei, der verwechselt Komfort mit Stabilität – und Ignoranz mit Sicherheit.

Wir leben in einer Zeit, in der Kriege nicht verschwunden sind, sondern nur ihr Erscheinungsbild verändert haben. Während unsere Gesellschaft sich in Debatten über Befindlichkeiten, Sprache und individuelle Wahrnehmung verliert, geschieht draußen in der Welt das, was die Geschichte seit Jahrtausenden antreibt: Macht wird verschoben, Einfluss neu verteilt, Gewalt vorbereitet.

Und wir? Wir glauben an das Narrativ des Fortschritts.
Wir glauben, die Welt sei vernünftig geworden.

Doch die Welt ist kein Ort des Fortschritts. Sie ist ein Ort des Zyklus. Jeder Fortschritt weckt Gegenkräfte. Jedes Machtvakuum erzeugt Bewegung. Und jeder Friede – so stabil er auch scheint – ist nichts weiter als das Ergebnis von Kräfteverhältnissen, die jederzeit kippen können.


Die Waffen ruhen – aber nicht lange

Russland rüstet auf. China formiert sich neu. Der Iran ist aktiver denn je. Und zwischen diesen Polen steht ein zersplitterter Westen, der sich selbst nicht mehr einig ist, wer Freund, Feind oder einfach nur Konkurrent ist.

In Europa wird über CO₂ diskutiert, während sich an den Rändern des Kontinents wieder Gräben auftun, die mit Diplomatie nicht mehr zu füllen sind (Weil man es nicht möchte, nicht weil es unmöglich ist). In den USA taumelt eine gespaltene Gesellschaft zwischen innerer Erosion und außenpolitischem Machtverlust. Und überall dazwischen formieren sich neue Allianzen – wirtschaftlich, militärisch, ideologisch.


Die neue Rüstung: KI, Propaganda, Energie

Kriege werden nicht mehr nur mit Stahl und Schießpulver geführt. Die neue Front ist digital, wirtschaftlich und psychologisch.
Informationen werden zu Waffen. Rohstoffe zu Druckmitteln. Abhängigkeiten zu Fesseln.

Während der Westen sich als moralischer Kompass der Welt versteht, handeln andere Mächte nach einem schlichten Prinzip: Wer sich nicht schützt, wird geholt.


Die Schlafwandler von heute

In den 1930ern sprach man von „Schlafwandlern“, die sehenden Auges in den Weltkrieg marschierten, weil sie nicht glauben wollten, was sich am Horizont zusammenbraute. Heute ist die Situation komplexer – aber nicht weniger gefährlich. Nur dass die Schlafwandler diesmal auf E-Scootern fahren, im urbanen Raum demonstrieren oder in Talkshows von Empathie und „globaler Verantwortung“ sprechen, während anderswo längst Kriegswirtschaft betrieben wird.

Frieden ist nicht das, was du fühlst, wenn es leise ist. Frieden ist das, was entsteht, wenn du in der Lage bist, dich zu verteidigen – und deine Gegner das wissen.


Wach werden, bevor du geweckt wirst

Dieser Beitrag ist kein Aufruf zur Panik. Er ist ein Weckruf zur Realität. Wer die Welt verstehen will, muss Zyklen erkennen. Muss sehen, dass jede stabile Phase der Geschichte irgendwann endet – und dass Freiheit nicht durch Selbstliebe, sondern durch Wachsamkeit erhalten bleibt.

Du musst kein Soldat sein, um die Zeichen zu deuten. Du musst kein Stratege sein, um zu erkennen, dass eine Welt im Umbruch nicht fragt, ob du vorbereitet bist.

Aber du solltest es sein.

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