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Iran und der Zangezur-Korridor: Akzeptiert Teheran den türkischen Einfluss?

Die geopolitischen Spannungen rund um den Zangezur-Korridor nehmen zu, während Iran unter wachsendem Druck steht. Während die sogenannte “Achse des Widerstands” zunehmend an Boden verliert – etwa durch den Rückzug iranischer Einflusskräfte in Syrien und die Schwächung der Hisbollah im Libanon – zeichnet sich eine Kurskorrektur in Teheran ab. Der Widerstand gegen die strategische Verbindung zwischen der Türkei und Aserbaidschan über armenisches und iranisches Grenzgebiet scheint zu bröckeln.

Ein Korridor von globaler Bedeutung

Die Türkei und Aserbaidschan treiben den Bau von Straßen- und Eisenbahnverbindungen entlang des Zangezur-Korridors voran. Dieses ambitionierte Infrastrukturprojekt soll Europa über die Türkei mit Zentralasien verbinden und die wirtschaftliche Dynamik im Kaukasus massiv verändern. Der Korridor verläuft durch das Grenzgebiet zwischen Armenien und Iran und ist von entscheidender Bedeutung für die Handelsströme in der Region.

Doch Teheran hatte lange Zeit seine ablehnende Haltung gegenüber dem Projekt bekräftigt. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Neben wirtschaftlichen Interessen befürchtet der Iran eine Schwächung seines Einflusses im Südkaukasus sowie eine zunehmende Isolation durch die wachsende Allianz zwischen Ankara und Baku.

Iran im geopolitischen Dilemma

Die geopolitische Lage des Iran hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Während Teheran früher seine Position im Nahen Osten durch Stellvertreterkonflikte sicherte, zeigt sich inzwischen ein Rückzug aus Syrien und eine Destabilisierung seiner strategischen Verbündeten. Vor diesem Hintergrund könnte eine pragmatische Neubewertung des Zangezur-Korridors für den Iran wirtschaftlich überlebenswichtig werden.

Das “unausweichliche” Projekt

Trotz des jahrelangen Widerstands kann Teheran die geopolitische Realität kaum noch ignorieren. Der Zangezur-Korridor wird nicht nur von der Türkei und Aserbaidschan, sondern auch von Russland und westlichen Staaten als bedeutender Wirtschaftskorridor angesehen. Laut Zakhid Farrukh Mamedov, Professor für internationale Wirtschaft an der Staatlichen Wirtschaftsuniversität Baku, ist das Projekt „unausweichlich“.

„Fast jeder, von den USA bis Russland, erkennt die Bedeutung dieses Korridors für Frieden, Stabilität und wirtschaftlichen Aufschwung“, so Mamedov. Eine Blockade durch den Iran wäre letztlich kontraproduktiv, da das Land selbst von der Handelsroute profitieren könnte.

Irans strategischer Spielraum schrumpft

Lange Zeit argumentierte Teheran, dass die Öffnung des Korridors die territoriale Integrität Armeniens gefährden könnte. Doch die geopolitische Realität spricht eine andere Sprache. Aserbaidschans Offensive in Karabach 2020, mit Unterstützung der Türkei, hat das Kräfteverhältnis im Südkaukasus grundlegend verändert.

Falls Iran sich weiterhin gegen den Zangezur-Korridor stellt, besteht die Gefahr, dass Armenien und Aserbaidschan eine bilaterale Lösung ohne iranische Beteiligung finden – eine Situation, die Teheran weiter isolieren würde.

Russland als Zünglein an der Waage?

Auch Russland könnte den Iran zu einer positiveren Haltung bewegen. Moskau hat historisch enge Beziehungen zum Iran, doch der Kreml hat bereits angedeutet, dass die Eröffnung des Korridors für die Stabilität der Region entscheidend sei. Der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisierte die armenische Regierung zuletzt für ihre zögerliche Haltung und forderte eine rasche Umsetzung des 2020 zwischen Armenien und Aserbaidschan vereinbarten Friedensabkommens.

„Wir befürworten die rasche Unterzeichnung eines Friedensvertrags und die Öffnung der Transportkorridore“, sagte Lawrow im russischen Fernsehen. Damit setzt Moskau Teheran weiter unter Druck, sich der neuen Realität anzupassen.

Fazit: Ein unausweichlicher Wandel?

Die geopolitische Großwetterlage zwingt den Iran zu einer Neubewertung seiner Kaukasus-Strategie. Während die Allianz zwischen der Türkei und Aserbaidschan weiter wächst, bleibt dem Iran kaum eine andere Wahl, als sich dem Zangezur-Korridor zu öffnen – sei es aus wirtschaftlichem Pragmatismus oder um nicht endgültig ins Abseits zu geraten.

Ob Teheran die Entwicklung aktiv mitgestaltet oder ob es sich widerwillig den neuen Realitäten anpasst, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch: Die geopolitische Landkarte des Südkaukasus wird sich nachhaltig verändern – mit oder ohne Iran.

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