Iran’s Neue Strategie: Qatar im Zentrum, Stellvertreter an der Peripherie
Von André Schmitt, Ex-KSK-Soldat und Profiler
Die geopolitische Landschaft des Nahen Ostens befindet sich in einer Phase der Neuausrichtung, und Iran hat seinen nächsten Zug bereits gemacht. Doch statt sich wie bisher ausschließlich auf seine Netzwerke von Stellvertretern wie die Hisbollah, die Hamas oder die irakischen PMF (Popular Mobilization Forces) zu verlassen, setzt Teheran zunehmend auf direkte Allianzen mit Staaten. Dabei sticht ein Land besonders hervor: Qatar.
Der Golfstaat ist dabei weit mehr als nur ein neutraler Akteur im Konflikt zwischen Iran und dem Westen. Qatar fungiert als Katalysator für Teherans wirtschaftliche und diplomatische Expansion – und das trotz harter US-Sanktionen. Damit wird Doha zu einem entscheidenden Faktor für die geopolitische Stabilität der Region – oder vielmehr für deren Destabilisierung.
Die Verschiebung der iranischen StrategieLange Zeit verfolgte Iran eine asymmetrische Kriegsführung, indem es Terrorgruppen finanzierte, ausbildete und mit Waffen versorgte. Doch die jüngsten Entwicklungen zeigen eine Veränderung dieser Strategie. Die Volksbefreiungskämpfer von Teheran setzen zunehmend auf offizielle diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen, um ihre Ziele zu erreichen.
Beispielhaft dafür war das Treffen zwischen Irans Oberstem Führer Ayatollah Khamenei und Repräsentanten des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) am 18. Februar. Doch während Khamenei diesen lediglich symbolische Unterstützung zusagte, erhielt der katarische Emir Tamim bin Hamad al-Thani einen völlig anderen Empfang. Nur einen Tag nach dem Treffen mit den PIJ-Vertretern machte Khamenei in Gesprächen mit al-Thani deutlich, wie wichtig Qatar als Partner für die wirtschaftliche Stabilität Irans ist. Insbesondere ging es um die Freigabe von eingefrorenen iranischen Vermögen in Südkorea, ein Bereich, in dem Qatar als Mittelsmann agiert.
Diese wirtschaftlichen Abkommen, die am 20. Februar zwischen dem frisch ernannten iranischen Präsidenten Masoud Pezeshkian und Emir al-Thani weiter vertieft wurden, unterstreichen eine gefährliche Entwicklung. Qatar verschafft Iran nicht nur dringend benötigte finanzielle Erleichterungen, sondern auch diplomatische Anerkennung und eine Brücke zu internationalen Akteuren – trotz der nach wie vor bestehenden US-Sanktionen.
Qatar – Ein Verbündeter oder ein Risikofaktor?Qatar spielt schon lange ein doppeltes Spiel. Einerseits stellt das Land die größte US-Militärbasis im Nahen Osten, die Al-Udeid Air Base, zur Verfügung und kooperiert mit westlichen Staaten. Andererseits finanziert es seit Jahren islamistische Gruppen und stellt nun eine wirtschaftliche Lebensader für Iran dar. Es ist eine paradoxe Situation: Ein Land, das sich als strategischer Partner der USA gibt, aber gleichzeitig deren geopolitische Ziele untergräbt.
Mit dieser strategischen Allianz wird Iran widerstandsfähiger gegen westlichen Druck und kann seine atomaren Ambitionen ungehindert weiterverfolgen. Während die USA versuchen, Teheran wirtschaftlich in die Knie zu zwingen, bietet Qatar Iran genau den Spielraum, den es benötigt.
Das ist nicht die Rolle eines Verbündeten der Vereinigten Staaten – das ist das Verhalten eines Staates, der sich an die Seite eines Regimes stellt, das die Region destabilisiert.
Der israelische Faktor: Steht ein Angriff bevor?Während sich Iran und Qatar weiter annähern, wird die Lage für Israel immer bedrohlicher. Premierminister Benjamin Netanyahu hat bereits angedeutet, dass Israel sich gezwungen sehen könnte, militärisch gegen das iranische Atomprogramm vorzugehen. Die Einschätzungen der israelischen Geheimdienste gehen davon aus, dass das Zeitfenster für einen Präventivschlag immer kleiner wird, bevor Iran die Kapazität zur Produktion von Kernwaffen erreicht.
Als Reaktion auf diese Bedrohung hat Iran seine militärischen Vorbereitungen intensiviert. Zuletzt führten die Revolutionsgarden groß angelegte Manöver durch, um auf einen möglichen israelischen Angriff vorbereitet zu sein. Gleichzeitig haben iranisch unterstützte Gruppen wie die Hisbollah und der PIJ verstärkt Anschläge und Raketenangriffe auf israelisches Gebiet durchgeführt – ein unmissverständliches Zeichen der EskalationDie USA und die Herausforderung QatarDie USA stehen nun vor einer strategischen Entscheidung. Präsident Trump hatte mit seiner Politik des „maximalen Drucks“ eine klare Haltung gegenüber Iran eingenommen, aber Qatar bleibt eine Achillesferse dieser Strategie. Trotz der umfangreichen Sanktionen gegen Iran bleibt Qatar ein Schlupfloch, das Teheran nutzt, um seine wirtschaftlichen und politischen Ziele voranzutreiben.
Die Trump-Administration und nachfolgende US-Regierungen sollten daher entschlossen handeln:
- Erweiterung der Sanktionen: Die USA müssen nicht nur Iran, sondern auch die katarischen Unternehmen und Finanzinstitute ins Visier nehmen, die an der Umgehung der Sanktionen beteiligt sind.
- Reduktion der militärischen Zusammenarbeit mit Qatar: Falls Doha weiterhin iranische Interessen unterstützt, sollte Washington den strategischen Wert der Al-Udeid Air Base überdenken und alternative Standorte in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien prüfen.
- Verstärkte Zusammenarbeit mit Israel und den Golfstaaten: Die USA sollten ihre militärische Präsenz in der Region ausbauen und mit Verbündeten wie Israel und den VAE engere Sicherheitsabkommen abschließen, um die iranische Bedrohung zu minimieren.
- Zielgerichtete Geheimdienstoperationen: Iran nutzt Qatar als Drehscheibe für seine wirtschaftlichen und geheimdienstlichen Aktivitäten. Die USA und ihre Verbündeten müssen ihre Spionageabwehrmaßnahmen gegen iranische Agenten in Doha verstärken.
Fazit: Wer die Kontrolle hat, bestimmt die Zukunft. Die geopolitische Dynamik im Nahen Osten hat sich erneut verschoben. Während die USA weiterhin Sanktionen gegen Iran verhängen, schafft Qatar für Teheran neue wirtschaftliche und diplomatische Optionen. Gleichzeitig rückt ein direkter Konflikt zwischen Israel und Iran näher.
Die zentrale Frage ist: Wird die US-Politik in der Lage sein, diese Entwicklungen zu stoppen, bevor Iran unumkehrbare Fortschritte erzielt?
Für mich als ehemaliger KSK-Soldat ist eines klar: In der Welt der Machtpolitik ist jedes Schlupfloch eine Schwäche, die ausgenutzt wird. Qatar ist zu einem entscheidenden Hebel für Iran geworden, und wenn Washington nicht bereit ist, die Konsequenzen zu ziehen, wird Teheran weiter an Einfluss gewinnen.
Der Nahe Osten ist ein Schachbrett – und Iran hat soeben einen Zug gemacht, der das Gleichgewicht der Region für Jahre verändern könnte.