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Kartelle ohne Grenzen – Wie weit reicht Mexikos Schattenmacht wirklich in die USA?Ein Bericht


Ich war in Mexiko. Ich war an der Grenze. Ich habe gesehen, wie Schmuggelrouten nachts lebendig werden – und wie sich auf der US-Seite keiner mehr sicher ist, wer hier eigentlich das Sagen hat.

Doch je länger ich mich mit den Verbindungen zwischen mexikanischen Kartellen und den Vereinigten Staaten beschäftige, desto klarer wird mir: Die Gefahr ist real – aber auch anders, als sie von Politik und Medien oft dargestellt wird.


„Operation Take Back America“ – Show oder Substanz?

Seit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus Anfang 2025, läuft die US-Regierung eine neue Hardliner-Strategie gegen mexikanische Drogenkartelle. Unter dem Titel „Operation Take Back America“ wurden landesweite Razzien durchgeführt, zuletzt am 6. Mai in mehreren Bundesstaaten des Südwestens.

Fentanyl, Meth, Kokain, Heroin, Waffen, Millionen in bar – die Beute war eindrucksvoll. Offizielle Stellen sprachen von einem „Schlag gegen den Sinaloa-Kartell“. Doch ein Blick in die Gerichtsakten zeigt: Keine Anklage wegen internationaler Verbindungen, keine direkte Verbindung zur Kartellspitze.

Ich kenne solche Diskrepanzen aus Einsätzen im Ausland. Sie entstehen, wenn politische Symbolik über operative Realität gestellt wird.


Wer hat die Kontrolle?

Mexikanische Kartelle wie Sinaloa oder CJNG gelten als Hauptlieferanten synthetischer Drogen in die USA – insbesondere Fentanyl, das täglich Menschenleben kostet. Aber ihre operative Kontrolle auf US-Boden? Die ist begrenzter, als viele denken.

Was wirklich passiert: Die Kartelle agieren wie Großhändler. Sie schmuggeln die Ware über die Grenze, verkaufen sie an lokale Netzwerke – und ziehen sich zurück. Diese US-Netzwerke übernehmen dann Verteilung und Risiko.

Ich habe solche Strukturen auch in anderen Konfliktzonen gesehen: Lose Ketten mit vielen Gliedern. Hochflexibel, schwer angreifbar. Wer einen Akteur ausschaltet, bekommt sofort einen neuen vor die Nase gesetzt.


Kooperation statt Besetzung

Diese “kriminelle Arbeitsteilung” ist kein Zufall. Es ist ein System, das sich den Schwächen staatlicher Strafverfolgung geschickt anpasst. Während Behörden an nationalen Grenzen scheitern, sind Kartelle längst transnational – mit Partnern, Familien, Mittelsmännern auf beiden Seiten.

Ein Fentanyl-Händler aus Sinaloa sagte einmal: „Mein Job endet, wenn die Lieferung in L.A. ankommt. Der Rest ist nicht mehr mein Problem.“

Ich glaube ihm. Denn das ist strategisch. So schützt man sich vor Haft, vor Überwachung – und vor Verantwortung.


Der Feind ist nicht sichtbar – und das ist das Problem

Die Trump-Regierung spricht von „Terrornetzwerken“ und droht sogar mit militärischen Maßnahmen. Aber ich frage: Gegen wen genau?

Mexikanische Kartelle haben in den USA kaum feste Strukturen. Ihre Macht basiert nicht auf Territorium – sondern auf Beziehungen, Geld, Angst und Austauschbarkeit.

Ein Drogenkurier in Utah erklärte kürzlich: „Wenn Mayo nichts schickt, dann halt jemand anderes. Es ist nur Geschäft.“
Das ist kein Krieg – das ist ein Markt. Und das macht ihn so gefährlich.


Was bedeutet das für unsere Sicherheit?

Für mich als ehemaliger Soldat liegt die eigentliche Gefahr nicht nur in den Drogen – sondern in der Illusion von Kontrolle. Wer glaubt, dass Razzien und Schlagzeilen genügen, unterschätzt den Gegner.

Die Kartelle sind keine Armeen. Sie sind Netzwerke. Und Netzwerke zerschlägt man nicht mit Raketen, sondern mit Systemkenntnis, internationaler Kooperation – und Ehrlichkeit gegenüber der eigenen Bevölkerung.

Denn solange wir uns einreden, dass Mexikos Kartelle wie klassische Terrorgruppen funktionieren, bekämpfen wir ein Phantom – während die echten Player ungestört weiter handeln.


Fazit:

Mexikos Kartelle sind längst Teil der amerikanischen Schattenwirtschaft – aber sie führen keinen Krieg auf US-Boden. Ihre Macht liegt nicht in Kontrolle, sondern in Einfluss. Nicht in Gewalt, sondern in Unsichtbarkeit.

Und wer sie aufhalten will, muss mehr verstehen als nur das nächste Ziel auf der Karte.
André Schmitt, Ex-Kommando Spezialkräfte, Sicherheitsberater & Analyst für grenzüberschreitende Bedrohungslagen

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