Koffer packen oder Standhalten? – Wenn der Ernstfall an deine Tür klopft
von André Schmitt (Ex-KSK, Profiler & Mediator)
Es ist ein Gedanke, den viele von sich schieben: Was, wenn es wirklich passiert?
Was, wenn die Nachrichten nicht mehr wie ferne Geschichten klingen, sondern wie der eigene Vorhof? Was, wenn der Ausnahmezustand plötzlich kein Film mehr ist, sondern Realität? Der Moment, in dem du dich fragen musst: Bleibe ich – oder gehe ich?
Solche Entscheidungen treffen Menschen nicht in Ruhe. Sie treffen sie unter Druck, unter Unsicherheit, oft zu spät. Genau deshalb ist es so entscheidend, sich jetzt mit dieser Frage zu beschäftigen – nicht erst, wenn der Rauch bereits durch die Straße zieht oder der Strom schon ausgefallen ist. Denn Krisen kündigen sich selten sauber an. Sie schleichen, sie verdichten sich, sie brechen plötzlich.
Ob Blackout, Unruhen, Naturkatastrophen, politische Destabilisierung oder externe Bedrohungen – der Punkt, an dem du entscheiden musst, ob du bleibst oder gehst, kommt nicht als Einladung. Er kommt als Herausforderung. Und er prüft dich auf deine Vorbereitung, deine Klarheit und deine Fähigkeit, dich selbst und deine Familie zu führen.
Viele Menschen glauben, sie hätten diese Entscheidung längst gefällt. Sie sagen: „Ich bleibe, egal was kommt“ oder „Ich bin sofort weg, wenn etwas passiert“. Doch solche Sätze basieren oft nicht auf Planung, sondern auf Bauchgefühl. In Wahrheit sind die wenigsten vorbereitet – weder für das eine noch für das andere.
Standhalten bedeutet mehr, als nur die Tür abzuschließen und Vorräte zu haben. Es bedeutet, deine Umgebung lesen zu können, Gefahrenzonen zu kennen, dich selbst verteidigen zu können, unauffällig zu bleiben – physisch und digital. Es bedeutet, nicht als Leuchtturm in der Dunkelheit zu wirken, der Ressourcen oder Hilfe verspricht, sondern als Schatten in der Masse zu verschwinden.
Gehen bedeutet nicht Flucht. Es bedeutet taktischer Rückzug. Es bedeutet, eine vorbereitete Route zu kennen, Zwischenziele definiert zu haben, Equipment bereitzuhalten, Kommunikationsmittel zu sichern und vor allem: einen Ort zu haben, der dich aufnehmen kann – und den du erreichen kannst. Gehen bedeutet auch, vorbereitet zu sein, den Moment zu erkennen, bevor andere es tun. Denn wer mit der Masse flieht, flieht ins Chaos. Der Greyman verlässt das Feld, bevor es kollabiert.
In unserem Grey Man-Buch sprechen wir genau über diese Zwischentöne. Über die Kunst, sich unauffällig vorzubereiten, ohne aufzufallen. Über das Training, in Szenarien zu denken, ohne in Panik zu verfallen. Und über die Fähigkeit, handlungsfähig zu bleiben – egal ob du bleibst oder gehst.
Die Entscheidung „Koffer packen oder Standhalten“ ist keine Frage von Stärke oder Schwäche. Es ist eine Frage von Kontext, Lage, Zielsetzung – und Vorbereitung. Wenn du deine Umgebung kennst, deine Optionen analysiert hast und dein Handeln nicht von Angst, sondern von Klarheit geleitet wird, bist du frei. Und das ist letztlich der einzige Zustand, der in einer Krise zählt.
Warte nicht auf den Moment, in dem du entscheiden musst. Schaffe dir den Zustand, in dem du jederzeit entscheiden kannst.