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Kollaps durch Komfort – Wie Bequemlichkeit zur Gefahr wird

Von André Schmitt (Ex-KSK, Profiler und Mediator)

Es ist bequem geworden. Zu bequem. Die Häuser sind warm, der Kühlschrank ist voll, das Netz funktioniert rund um die Uhr. Der Alltag ist ein Teppich aus Annehmlichkeiten, der uns leise einlullt, während draußen die Welt brennt. Wir leben im Komfort – und merken nicht, dass genau dieser Komfort uns blind macht für das, was kommt. Der Feind trägt heute keinen Stahlhelm mehr. Er kommt in Form von Nachlässigkeit, Gleichgültigkeit und einem trügerischen Sicherheitsgefühl.

Wir haben alles – und riskieren alles, weil wir nichts mehr hinterfragen. Die Krise beginnt nicht mit dem Blackout oder dem Crash. Sie beginnt mit der Haltung: „Wird schon nicht so schlimm werden.“ Diese Haltung hat Geschichte gemacht. Immer dann, wenn Gesellschaften am Zenit ihrer Bequemlichkeit waren, wurden sie schwach. Nicht militärisch, sondern mental. Nicht weil der Gegner stärker war – sondern weil die eigene Trägheit größer war als jede Bedrohung.

Komfort hat seinen Preis. Wer zu lange in der Wärme sitzt, verlernt die Kälte. Wer sich immer satt isst, verliert den Instinkt für Mangel. Wer nur noch durch Bildschirme schaut, sieht die Realität nicht mehr kommen. Wir sind nicht mehr wach. Wir sind überfüttert, überreizt, überfordert – aber bequem. Und diese Bequemlichkeit verhindert das einzig Wichtige: Vorbereitung. Wachsamkeit. Widerstandskraft.

Es war nie einfacher, sich abzulenken. Nie leichter, Verantwortung abzugeben. Nie bequemer, anderen die Schuld zu geben. Doch genau das ist das Gift. Wer in einer Komfortzone lebt, verachtet den, der warnt. Er will nicht gestört werden. Nicht erinnert werden. Nicht handeln müssen. Und so werden die Rufer im Nebel zu Störenfrieden. Zu Verschwörern. Zu Querdenkern. Dabei sind sie oft nur früher wach.

Bequemlichkeit macht blind für den Verfall. Man sieht die Risse – aber streicht nochmal Farbe drüber. Man spürt die Kälte – aber dreht die Heizung höher. Man hört die Warnungen – aber stellt die Lautstärke lauter. Alles, nur um nicht den Punkt zu erreichen, an dem man handeln müsste. Denn Handeln bedeutet Verzicht. Und Verzicht ist der natürliche Feind des modernen Menschen.

Doch jede Gesellschaft, die den Schmerz meidet, wird ihn umso härter spüren. Wer heute nicht trainiert, wird morgen fliehen. Wer heute nicht denkt, wird morgen gehorchen. Und wer heute nicht vorbereitet ist, wird morgen ein Opfer sein. Nicht, weil er schwach ist – sondern weil er zu lange bequem war.

Der Kollaps durch Komfort ist tückisch. Er ist still, leise, scheinbar harmlos. Er trägt Jogginghose und Netflix-Account. Er beginnt mit dem Satz: „Ich kann ja sowieso nichts ändern.“ Und endet damit, dass du nicht mal mehr rennst, wenn es brennt. Weil du verlernt hast, warum man überhaupt laufen sollte.

Wer überleben will, muss unbequem werden. Heute. Nicht morgen. Nicht wenn’s losgeht. Sondern jetzt. Denn wenn du wartest, bis du musst, ist es zu spät. Komfort ist kein Ziel. Es ist ein Test. Die Frage lautet: Kannst du wach bleiben, obwohl du alles hast?

Die Antwort darauf entscheidet, ob du einer von denen bist, die untergehen – oder einer von denen, die stehen bleiben, wenn alles kippt.

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