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Krieg ohne Erklärung – Die stille Eskalation der Weltlage in drei Phasen

Von André Schmitt – ehemaliger KSK-Soldat, heute Profiler und Mediator

Kriege sehen heute anders aus. Sie beginnen nicht mehr mit einer offiziellen Erklärung, mit marschierenden Bataillonen oder mit zeremoniellen Drohgebärden vor laufender Kamera. Sie schleichen sich ein. Sie wachsen in die Gesellschaft hinein. Sie unterwandern das Bewusstsein der Menschen, verändern die Wahrnehmung, vergiften die Kommunikation und spalten die Nationen – lange bevor der erste Schuss fällt. Was wir derzeit erleben, global und unmittelbar, ist ein Krieg ohne formale Eröffnung, aber mit realen Auswirkungen. Und dieser Krieg folgt einem klaren Muster: drei Phasen der stillen Eskalation, von der Wahrnehmungskontrolle bis zur vollständigen Systemverwerfung.

In meiner Zeit beim KSK habe ich gelernt, dass ein Konflikt selten mit dem ersten Schuss beginnt. Er beginnt im Vorfeld – im Denken, im Planen, im Fühlen. Und heute, als Profiler, sehe ich genau dieses Muster auf globaler Ebene. Wir stehen nicht mehr vor einem Krieg. Wir sind mittendrin. Nur erkennen es viele nicht, weil sie auf alte Bilder warten, auf Panzerkolonnen, die Grenzen überqueren, oder auf Politiker, die martialisch ins Mikrofon brüllen. Doch das ist Vergangenheit. Der Krieg von heute ist leise – und deshalb umso gefährlicher.

Phase 1: Die mentale Vorbereitung – Spalten, emotionalisieren, zermürben

Jeder moderne Konflikt beginnt in den Köpfen. In der ersten Phase wird gezielt Unsicherheit erzeugt. Die Gesellschaft wird fragmentiert, die Informationslage unübersichtlich, der moralische Kompass verdreht. Widersprüchliche Narrative, ideologische Grabenkämpfe, eine erodierende Mitte – das ist kein Zufall. Es ist ein kalkulierter Angriff auf das kollektive Vertrauen. Die Menschen verlieren die Orientierung, das Gefühl von Zugehörigkeit, das Verständnis für den Anderen. Die Öffentlichkeit wird polarisiert – und gleichzeitig beruhigt. Man redet von Entspannung, während man die Muskeln spielt. Man beschwichtigt, während man aufrüstet. Der Bürger, der zwischen Inflationsdruck, Identitätsfragen, medialer Dauerempörung und alltäglichem Existenzstress lebt, merkt oft nicht, dass die Gesellschaft längst in einen Vor-Kriegszustand kippt. Denn es gibt keinen klaren Moment. Nur ein langsames, stetes Drehen an der Temperatur – wie beim berühmten Frosch im Kochtopf.

Phase 2: Die gezielte Destabilisierung – Knappheit, Kontrollverlust, externe Schocks

Wenn die mentale Spaltung etabliert ist, folgt die zweite Phase: die materielle Verwerfung. Wirtschaftliche Unsicherheiten, Energiekrisen, Lieferengpässe und soziale Spannungen treten plötzlich gehäuft auf – oft beschleunigt durch externe Ereignisse, aber fast nie ohne Vorgeschichte. Staaten werden unter Druck gesetzt, entweder durch Sanktionen, asymmetrische Angriffe oder strategische Einflussnahmen. Migration, Inflation, innere Unruhen und politische Radikalisierung wachsen wie Pilze aus dem Boden – und werden nicht etwa gestoppt, sondern verwaltet. In dieser Phase zeigt sich, wie verwundbar eine moderne Demokratie ist. Die Bürger verlieren den Glauben an die Handlungsfähigkeit des Staates. Vertrauen weicht Verzweiflung, Sicherheit weicht Instinkt. Wenn Menschen anfangen, sich nur noch um ihr eigenes Überleben zu kümmern – wirtschaftlich, emotional, physisch – dann ist das System bereits brüchig. Und genau dort setzen die Gegner an. Denn der beste Krieg ist der, den der Feind sich selbst liefert – im Inneren, in der Familie, am Arbeitsplatz, auf der Straße.

Phase 3: Die Entladung – Zusammenbruch, Umbruch oder autoritäre Kontrolle

Irgendwann kommt der Punkt, an dem sich die Spannung entlädt. In der dritten Phase ist der Krieg nicht mehr zu leugnen – auch wenn er immer noch nicht so genannt wird. Es kommt zu offenen Zusammenstößen. Vielleicht zwischen Staaten, vielleicht innerhalb von Gesellschaften. Es kann der offene militärische Konflikt sein, ein digitaler Blackout, ein Angriff auf kritische Infrastruktur, eine inszenierte Krise oder ein finaler wirtschaftlicher Schock. Die Menschen, bereits emotional und wirtschaftlich zermürbt, reagieren mit Panik oder völliger Apathie. Der Staat greift zu Maßnahmen, die gestern noch als unvorstellbar galten: Notstandsgesetze, Überwachung, Einschränkung von Grundrechten – alles im Namen der Sicherheit. Die Demokratie stirbt nicht in einem Putsch. Sie wird „ausgesetzt“, „angepasst“, „vorübergehend eingeschränkt“. Und viele begrüßen das sogar – weil sie nur noch Ruhe wollen. Der eigentliche Krieg war nicht der, den sie dann sehen. Es war der, den sie vorher nicht erkannt haben.


Das ist der Punkt, an dem wir jetzt stehen. Nicht am Anfang. Nicht in Sicherheit. Sondern mitten im Spiel. In Deutschland, in Europa, weltweit. Die Fronten haben sich längst gebildet, nur dass sie keine Uniformen tragen. Die Angriffe erfolgen über Narrative, über wirtschaftlichen Druck, über Migration, über Cyberräume, über interne Spaltung. Und die Waffen sind nicht Gewehre, sondern Emotionen. Angst, Schuld, Ohnmacht, moralischer Druck. Der Gegner weiß genau, wo unsere Schwächen liegen – und er nutzt sie aus. Geduldig, strategisch, langfristig.

Und die Bevölkerung? Wird systematisch desinformiert oder betäubt. Die Medienlandschaft sendet gleichzeitig Panik und Entwarnung. Kritisches Denken wird delegitimiert. Widerspruch wird moralisch entwertet. Wer Fragen stellt, gilt als radikal. Wer den großen Bogen zeichnen will, als verschwörerisch. Doch Wahrheit lässt sich nicht auf Dauer verdrängen. Wer hinsieht, erkennt: Wir sind nicht in einer Serie von Einzelkrisen. Wir sind in einem globalen Konflikt, der still begonnen hat – und laut enden wird.

In einer Zeit wie dieser braucht es Menschen, die nicht blind vertrauen, sondern klar beobachten. Menschen, die Muster erkennen, unabhängig denken, selbst entscheiden. Die weder in Panik verfallen, noch in naive Hoffnung. Sondern in Vorbereitung, Selbstständigkeit und strategisches Handeln. Die verstehen, dass der Krieg der Zukunft kein Tag X ist, sondern eine Phase, in der wir uns bereits befinden. Und wer jetzt noch denkt, es werde wieder wie früher – der wird irgendwann feststellen, dass früher längst vorbei ist.

— André Schmitt

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