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Krisen ohne Kurs – Wenn Politik nur noch Schadensbegrenzung betreibt

Autor: André Schmitt (Ex-KSK, Profiler und Mediator)


Politik ist eigentlich dazu da, Zukunft zu gestalten. Visionen zu entwickeln, Strategien zu formulieren, Verantwortung zu übernehmen. Doch was wir heute erleben, ist das Gegenteil: Ein System, das nur noch verwaltet – nicht führt. Eine Politik, die nicht mehr proaktiv agiert, sondern sich reaktiv durch die Krise hangelt. Und in der niemand mehr Verantwortung übernimmt.

Egal ob Migration, Energie, Sicherheit oder Bildung – in nahezu jedem relevanten Bereich herrscht nicht Gestaltung, sondern Chaos-Management. Probleme werden nicht gelöst, sondern verschoben. Man wartet ab, wie die öffentliche Stimmung kippt, statt klare Entscheidungen zu treffen. Maßnahmen erfolgen oft zu spät, zu halbherzig oder widersprüchlich. Die Politik gleicht einem Feuerwehrmann ohne Schlauch – ständig vor Ort, aber ohne Werkzeug.

Besonders auffällig: Das Prinzip der Verantwortungsdiffusion. Wenn etwas schiefläuft, war es entweder „die EU“, „die Länder“, „die vorherige Regierung“ oder ein „komplexer Sachverhalt“. Persönliche Konsequenzen? Fehlanzeige. Rücktritte sind zur Ausnahme geworden, Rückgrat zum Risiko.

Diese Haltung hat System. Denn wer nicht entscheidet, macht auch keine Fehler – zumindest keine, für die man zur Rechenschaft gezogen wird. Statt Führung erleben wir Selbstschutz. Statt Richtung gibt es Beruhigungspillen für die Öffentlichkeit. Politische Kommunikation wird zur Schadensbegrenzung, nicht zur Aufklärung.

Das Problem dabei: Gesellschaften brauchen Orientierung. Sie brauchen den Eindruck, dass jemand am Steuer sitzt – nicht nur, weil es Sicherheit vermittelt, sondern weil echte Herausforderungen Führung verlangen. Eine Politik, die sich aus Angst vor Fehlern in Passivität flüchtet, wird irgendwann selbst zum Risiko.

Die Kosten dieser Verantwortungslosigkeit zahlen nicht die Politiker. Sie zahlt die Bevölkerung. Mit steigender Unsicherheit, wachsender Ungleichheit und einem Gefühl der Ohnmacht. Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates sinkt – und mit ihm die Bereitschaft, sich für das Gemeinwohl einzusetzen.

Gestalten heißt, Verantwortung zu tragen – auch für Fehler. Wer sich dieser Verantwortung entzieht, betreibt keine Politik, sondern bloß Verwaltung. Und eine verwaltete Krise ist noch lange keine gelöste.

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