Philippinen im geopolitischen Sturm: Marcos Jr. sucht Balance zwischen den USA und China
Die Philippinen stehen vor einer der größten sicherheitspolitischen Weichenstellungen ihrer jüngeren Geschichte. Präsident Ferdinand Marcos Jr. versucht, das fragile Gleichgewicht zwischen den USA und China zu bewahren – doch sein jüngstes Angebot an Peking könnte sein Land entweder aus der Schusslinie holen oder es in eine noch größere Abhängigkeit treiben.
Ein gefährliches Angebot: US-Raketen gegen chinesische Zurückhaltung
Marcos Jr. überraschte kürzlich mit einem Vorschlag, der weltweit für Diskussionen sorgt: Die Philippinen würden das US-Typhon-Raketensystem aus ihrem Hoheitsgebiet entfernen, falls China seine aggressiven Aktivitäten in der Südchinesischen See einstellt.
Hintergrund dieser Offerte sind anhaltende Konfrontationen zwischen philippinischen Schiffen und der chinesischen Küstenwache, die regelmäßig philippinische Fischer drangsaliert, Patrouillen behindert und sogar Wasserwerfer sowie Laser gegen Schiffsbesatzungen einsetzt.
Der Typhon-Komplex, der unter anderem mit Tomahawk- und Standard Missile-6-Raketen ausgestattet ist, wurde 2024 im Rahmen eines US-philippinischen Militärmanövers auf die Inselgruppe gebracht und seither dort stationiert. China sieht darin eine Provokation und forderte mehrfach den Abzug der Raketen.
Marcos Jr. betonte, dass die Philippinen keine militärische Bedrohung für China darstellen, dessen Raketenarsenal das philippinische um ein Vielfaches übersteigt. Die zentrale Botschaft an Peking: Wenn ihr euer Verhalten ändert, entfernen wir die Raketen – andernfalls bleiben sie.
Ein riskanter Balanceakt zwischen den Supermächten
Die Philippinen spielen damit ein gefährliches Doppelspiel. Auf der einen Seite steht die enge Allianz mit den USA, die vertraglich durch das Mutual Defense Treaty (MDT) von 1951 abgesichert ist. Washington nutzt die Philippinen als strategische Plattform für seine Eindämmungspolitik gegen China – ein militärischer Brückenkopf nahe der ersten Inselkette, die Chinas maritime Ambitionen begrenzt.
Auf der anderen Seite steht China, das wirtschaftlich und geopolitisch eine übermächtige Rolle in der Region spielt. Marcos Jr. muss vermeiden, dass sein Land zwischen den Fronten aufgerieben wird – doch ob China wirklich auf sein Angebot eingeht oder es nur als Schwäche interpretiert, bleibt abzuwarten.
US-Rückhalt: Verlässlich oder Verhandelbar?
Ein zentrales Dilemma für Manila ist die Ungewissheit über den künftigen Kurs der USA unter Donald Trump. Die Biden-Regierung hatte die Allianz mit den Philippinen gestärkt, doch unter Trump könnte es anders aussehen.
Trumps außenpolitische Doktrin ist geprägt von Transaktionsdenken – Unterstützung gibt es nur, wenn sie für die USA direkten Nutzen bringt. Sollte Washington zu dem Schluss kommen, dass die Philippinen keinen ausreichenden strategischen Wert haben, könnte es die militärische Unterstützung zurückfahren oder gar fallenlassen.
Ein bereits beschlossener 90-tägiger Stopp von US-Auslandshilfen könnte ein Zeichen dafür sein, dass Trump sich nicht mehr uneingeschränkt auf seine Verbündeten verlassen will. Besonders besorgniserregend für Manila ist die Möglichkeit, dass die USA – ähnlich wie im Kalten Krieg – auf ein “Sphärenmodell” setzen und China gewisse Einflusssphären zugestehen.
Ein solches Szenario wäre für die Philippinen eine Katastrophe: Ohne die USA als Schutzmacht wäre das Land gezwungen, sich Peking anzunähern und Zugeständnisse zu machen – womöglich auf Kosten der eigenen territorialen Integrität.
Interne Machtkämpfe: China setzt auf Duterte-Clan
Zusätzlich zu den geopolitischen Spannungen destabilisieren interne politische Ränkespiele die Philippinen. Der ehemalige Präsident Rodrigo Duterte, der eine deutlich China-freundlichere Politik verfolgte, könnte eine Schlüsselrolle spielen.
Es gibt Hinweise darauf, dass Peking den Duterte-Clan unterstützt, um Marcos Jr. zu schwächen. Vizepräsidentin Sara Duterte, Tochter des Ex-Präsidenten, könnte zum Machtfaktor werden und versuchen, den außenpolitischen Kurs des Landes zu verändern.
Sollte es Marcos Jr. nicht gelingen, Trump für die philippinischen Interessen zu gewinnen, könnte eine Rückkehr zu Dutertes Appeasement-Politik unausweichlich sein. Dies würde bedeuten, dass sich Manila stärker an China annähert, möglicherweise auf Kosten eigener Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer.
Fazit: Die Philippinen zwischen Risiko und Realität
Marcos Jr. hat mit seinem Raketen-Deal ein hohes Spiel eröffnet – aber die Erfolgsaussichten sind ungewiss.
- China könnte das Angebot als Schwäche deuten und seine Aggression in der Südchinesischen See sogar verstärken.
- Die USA könnten unter Trump unzuverlässig werden, was Marcos Jr. in eine schwierige Lage bringt.
- Die internen politischen Kämpfe zwischen Marcos Jr. und der Duterte-Fraktion könnten die Position der Philippinen weiter schwächen.
Ob Marcos Jr. mit seinem riskanten Manöver die Philippinen aus dem geopolitischen Sturm heraussteuern kann, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Doch eines ist sicher: Die Philippinen stehen vor einer der wichtigsten sicherheitspolitischen Entscheidungen ihrer Geschichte – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für die gesamte Indo-Pazifik-Region.