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Situation Awareness

In unserem Alltag können wir von einer Sekunde zur anderen in Situationen geraten, die sich lebensbedrohlich entwickeln können. Vermeintlich ohne Vorwarnung geraten Menschen immer wieder in Lagen, die die Opfer oft für den Rest des Lebens zeichnen. Dabei zeigt sich bei nachfolgender Betrachtung oft, dass es für das, was passiert ist, durchaus Vorzeichen gab, die mal mehr, mal weniger subtil sind. In allen Berufen, die ein überdurchschnittliches Gefährdungsrisiko darstellen, wird in der Ausbildung ein starker Fokus auf die sogenannte Situation Awareness  gerichtet. Ein Gefahrenpotenzial frühzeitig zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren, rettet im Zweifel Menschenleben. Diese Erkenntnis gilt im Übrigen nicht nur für Soldaten, Polizisten und Personenschützer, sondern auch für ganz normale Privatpersonen, die, wenn sie aufmerksam durch die Welt gehen, eben weniger leicht von Naturkatastrophen, Verbrechen und Unfällen überrascht werden. 

Situation Awareness (auch als Situationsbewusstsein bezeichnet) ist ein Begriff aus der Psychologie, der sich auf das Verständnis und die Wahrnehmung der Umgebung und der Ereignisse bezieht, die um uns herum stattfinden. Es bezieht sich auf die Fähigkeit, Informationen aus der Umgebung zu sammeln, zu interpretieren und zu verstehen, um ein genaues Bild der aktuellen Situation zu erhalten.

Eine Person, die über ein hohes Maß an Situation Awareness verfügt, hat eine bessere Chance, potenzielle Bedrohungen und Gefahren in ihrer Umgebung zu erkennen und entsprechend zu handeln. Ein Beispiel dafür ist ein Autofahrer, der auf der Straße fährt und sich bewusst ist, dass es regnet und die Straßen rutschig sind. Diese Person wird vorsichtiger fahren und sich möglicherweise auf eine mögliche Schleuder- oder Unfallsituation vorbereiten.

Situation Awareness ist ein wichtiger Faktor für die Sicherheit und Leistung in vielen Bereichen, einschließlich Luftfahrt, Medizin, Militär und Strafverfolgung. 

Man unterscheidet  drei Teilaspekte der Situation Awareness:

  1. Wahrnehmung: Dies bezieht sich auf die Fähigkeit, die Umgebung und die Ereignisse um uns herum wahrzunehmen. Leider betrügen wir uns selbst sehr häufig um die Leistungsfähigkeit unserer Sinne. Kopfhörer mit lauter Musik auf den Ohren, den Blick starr auf einem Bildschirm, in der Hand einen Kaffeebecher. So abgeschirmt fallen viele der kleinen Warnzeichen nicht auf, die das Opfer rechtzeitig hätten warnen können. Als Beispiele kann man anführen: Das Motorgeräusch eines nahenden Fahrzeuges welches man wegen der Musik nicht hört , schwacher Brandgeruch den man nicht wahrnimmt weil man das stark riechende Essen bereits in der Bahn verzehrt oder man übersieht den Räuber der einen selbst schon fixiert weil man ohne aufzublicken der Smartphone-Navigation in  die dunkle Seitenstraße einbiegt. 
  1. Verstehen: Dies bezieht sich auf die Fähigkeit, die Bedeutung und Auswirkungen der Informationen und Ereignisse in unserer Umgebung zu verstehen.Hierfür ist es besonders hilfreich und wichtig zuerst einmal zu wissen, was ist für den Ort und die Situation in welcher ich mich befinde, der Normalzustand. Erst wenn man weiss was normal ist, kann man Abweichungen feststellen und entsprechend ihres Gefährdungspotentials einordnen. Hier ist es hilfreich sich vorab mit ortskundigen Personen oder Einheimischen abzusprechen und die Warnzeichen zu erkennen, die auf eine Gefahr hindeuten können. Ob die Rauchsäule am Horizont ein Waldbrand ist und Handlungsbedarf besteht oder von der örtlichen Müllverbrennung stammt und so keine akute Gefahr darstellt erfährt man schnell wenn man nur interessiert fragt. Wenn „normalerweise“ Warnschilder den Weg zum nächsten Notausgang anzeigen, aber im eigenen Hotel fehlen, so sollte einem dies auffallen und in Erfahrung gebracht werden, ob es keine Notausgänge gibt oder diese zwar vorhanden, aber nicht ausgeschildert sind. 
  2. Mögliche Folgen: Dies bezieht sich auf die Fähigkeit, mögliche zukünftige Entwicklungen oder Ereignisse vorherzusehen und darauf vorbereitet zu sein. Viele potenziell gefährliche Situationen folgen bestimmten Abläufen und so lassen sich bei Eintreten erster Warnzeichen durchaus Vorhersagen für den weiteren Ablauf treffen. Wer weiss, dass dem Hauptbeben regelmäßig Nachbeben folgen die an den vorgeschädigten Gebäuden häufig schwerste Schäden verursachen wird nicht kopflos zurück in Gebäude laufen nachdem das erste Beben vorüber ist. Wer weiss welche Umweltbedingungen zu Blitzeis führen wird es in diesen Situationen vermeiden am Straßenverkehr teilzunehmen. Und wer die Auswirkungen eines längeren Stromausfalls kennt, wird sich ebenfalls vorbereiten. 

Situation Awareness kann durch Training und Übung verbessert werden. Es erfordert jedoch auch eine bewusste Entscheidung, aufmerksam zu sein und Informationen in unserer Umgebung bewusst wahrzunehmen und zu interpretieren.Um die unterschiedlichen Bewusstseinszustände innerhalb der Situation Awareness anschaulich darzustellen bedient man sich häufig  der sogenannten Color Codes of Awareness.

Der “Color Code of Awareness” ist eine Methode zur Steigerung der persönlichen Sicherheit, die von US-amerikanischen Militärs und Polizisten entwickelt wurde. Diese Methode besteht aus einer Skala von vier Farben, die unterschiedliche Bewusstseinszustände repräsentieren und helfen sollen, Gefahrensituationen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.

Die vier Farben sind:

  1. Weiß: Dieser Zustand steht für Unachtsamkeit und Unwissenheit. In diesem Zustand ist man nicht auf mögliche Gefahren vorbereitet und nimmt die Umgebung nicht bewusst wahr. Leider befinden sich, wie oben beschrieben, die weitaus meisten Menschen fast dauerhaft in diesem Zustand.
  2. Gelb: In diesem Zustand ist man entspannt, aber wachsam. Man ist sich bewusst, dass Gefahren auftreten können und achtet auf mögliche Anzeichen dafür.
  3. Orange: In diesem Zustand ist man auf eine mögliche Bedrohung vorbereitet und hat einen Plan, wie man reagieren würde. Man ist wachsam und beobachtet die Umgebung genau.
  4. Rot: Dieser Zustand tritt ein, wenn eine konkrete Bedrohung erkannt wurde. Man reagiert entsprechend auf die Situation, um sich selbst zu schützen.

Der Color Code of Awareness soll dazu beitragen, dass Menschen ihre Umgebung bewusster wahrnehmen und mögliche Gefahrensituationen frühzeitig erkennen, um angemessen darauf reagieren zu können. Der Ablauf der beschriebenen Zustände ist durchaus auch nicht immer linear. Aufmerksame Menschen können im Laufe eines Tages durchaus mehrere dieser Zustände in wechselnder Reihenfolge und Dauer durchlaufen. Auch kann der Wechsel zwischen den Phasen nahezu übergangslos erfolgen. Teilweise wird die beschriebene Skala noch um eine 5. Stufe „Schwarz“ erweitert. Dieser Zustand beschreibt die völlige Handlungsunfähigkeit durch Schock,Angst oder Verletzung oder Ohnmacht. Da in diesem Zustand, den es unter allen Umständen zu vermeiden gilt, ohnehin kein Einfluss auf die Ereignisse mehr möglich ist, soll dieser Zustand hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. 

Wie ist es nun möglich auch im Alltag und als Zivilist die eigene Situation Awareness zu trainieren? Wie auch im professionellen Bereich gilt „Übung schafft Routine“ . Fragen Sie sich also im Verlauf eines Tages immer wieder Dinge wie: „Wo befindet sich der nächste Notausgang?“ , „Parkt mein Auto links oder rechts vom Eingang des Gebäudes in welchem ich mich befinde?“ „Wenn ich jetzt bremsen müsste ..schaffe ich es wirklich?“  Je öfter man sich auf Situationen konzentriert und deren Gefahrenpotenzial analysiert, desto eher entwickelt man einen reflexhaften Scanner-Blick und wird im Fall der Fälle sinnvolle Entscheidungen treffen können, um sich und seine Lieben vor Schaden zu bewahren.

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