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The Grey Swan Problem – Ein Ausblick von Ex-KSK-Soldat André Schmitt

In einer Welt, die von Unsicherheit und ständigen Veränderungen geprägt ist, gewinnen scheinbar unwahrscheinliche Ereignisse zunehmend an Bedeutung. Doch was, wenn diese Ereignisse gar nicht so unvorhersehbar sind, wie sie erscheinen? Als ehemaliger Soldat einer der elitärsten Spezialeinheiten der Welt, der KSK, weiß ich, dass der Schlüssel zum Erfolg oft darin liegt, das Unerwartete zu antizipieren und auf scheinbar unzusammenhängende Signale zu achten. Dieses Prinzip beschreibt das sogenannte Grey Swan Problem.

Im Gegensatz zu den „Black Swans“, also vermeintlich unvorhersehbaren Katastrophen, handelt es sich bei Grey Swans um Risiken, die sehr wohl vorhergesehen werden können – sofern man die Frühindikatoren erkennt und über das notwendige Wissen sowie die richtigen Kontakte verfügt. Das Problem ist nicht das Ereignis selbst, sondern unsere Blindheit gegenüber den Warnzeichen. Tatsächlich gibt es keine echten Black Swans. Jedes große Ereignis der letzten Jahrzehnte, sei es eine geopolitische Krise, ein wirtschaftlicher Zusammenbruch oder eine Naturkatastrophe, war in der Pre-Impact-Phase durch zahlreiche Signale angekündigt. Die Herausforderung liegt darin, diese Signale zu sehen, zu deuten und rechtzeitig zu handeln.


Warum Black Swans ein Mythos sind

Black Swans – das Konzept von völlig unvorhersehbaren, disruptiven Ereignissen – werden oft als Ausrede verwendet, um das Versagen in der Risikoanalyse zu rechtfertigen. Doch die Realität zeigt ein anderes Bild: Jedes Ereignis, das retrospektiv als Black Swan bezeichnet wurde, war tatsächlich vorhersehbar.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion etwa zeichnete sich durch jahrelange interne Spannungen, wirtschaftliche Schwächen und ideologische Erosion ab. Die Finanzkrise 2008 war das Ergebnis eines aufgeblähten Immobilienmarktes und riskanter Kreditvergaben, deren Konsequenzen von einigen Analysten früh erkannt wurden – aber ignoriert blieben. Und selbst die COVID-19-Plandemie war keine Überraschung für Experten, wenn man die Planspiele kannte, abgeänderten Definitionen im Arzneimittelgesetz und die entsprechenden Kontakte in die Pharmalobby hatte.

Das Problem ist nicht die Unvorhersehbarkeit dieser Ereignisse, sondern unsere kollektive Unfähigkeit, Frühindikatoren ernst zu nehmen. Warum? Weil wir dazu neigen, wahrscheinliche Risiken zu überschätzen und unwahrscheinliche Risiken zu ignorieren – auch wenn deren Auswirkungen weitaus gravierender sein könnten.


Was sind Grey Swans wirklich?

Grey Swans sind Ereignisse, die auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheinen, aber bei genauerer Betrachtung durchaus vorhersehbar sind. Sie zeichnen sich durch eine Kombination aus klaren Frühindikatoren und einer scheinbaren Unwahrscheinlichkeit aus, die dazu führt, dass sie oft nicht ernst genommen werden.

Ein prägnantes Beispiel ist die russische Invasion der Ukraine im Jahr 2022. Die Anzeichen für diesen Konflikt waren seit Jahren sichtbar: die Annexion der Krim 2014, die militärische Aufrüstung an den Grenzen und die geopolitischen Spannungen zwischen Russland und der NATO. Doch viele Analysten hielten eine großflächige Invasion für unwahrscheinlich – bis sie Realität wurde.

Ein weiteres Beispiel ist der Konflikt zwischen Israel und dem Iran im Jahr 2024. Die Eskalation wurde durch Jahre der Provokationen, der militärischen Expansion und der politischen Rhetorik vorbereitet. Wer die Muster erkannte, konnte das Risiko antizipieren. Und doch waren viele Akteure überrascht.

Das Problem liegt oft in der mangelnden Vernetzung von Informationen. Grey Swans erscheinen nur deshalb überraschend, weil sie aus einer Perspektive betrachtet werden, die nicht breit genug ist, um die Zusammenhänge zu sehen.


2025: Ein Jahr der Grey Swans

Das kommende Jahr verspricht, ein Brennpunkt für Grey Swan-Ereignisse zu werden. Geopolitische Neuausrichtungen, strategische Rivalitäten, die Proliferation von Waffentechnologien und der Klimawandel destabilisieren bereits jetzt Regionen weltweit. In einer zunehmend fragmentierten Weltordnung sind viele Staaten nicht mehr in der Lage oder willens, Risiken effektiv zu minimieren.

Politische Übergänge, wie sie in Ländern wie Russland und Iran bevorstehen könnten, sind besonders anfällig für Grey Swan-Szenarien. Wenn autoritäre Regime an Legitimität verlieren, staatliche Repression nachlässt und wirtschaftliche Notstände die Bevölkerung mobilisieren, entsteht ein gefährlicher Mix, der in plötzlichen Machtwechseln eskalieren kann.

Auch die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus im Jahr 2024 bringt erhebliche Unsicherheiten mit sich. Seine „America First“-Politik destabilisiert bestehende Allianzen und stärkt rivalisierende Mächte wie China und Russland. Gleichzeitig könnten geopolitische Rivalitäten um Taiwan, im Nahen Osten oder entlang maritimer Handelsrouten zu kurzfristigen, aber hochintensiven Krisen führen.


Die Bedeutung der Pre-Impact-Phase

Um Grey Swans zu erkennen und ihnen zu begegnen, ist es entscheidend, die Pre-Impact-Phase zu verstehen. Diese Phase ist geprägt von subtilen, aber deutlichen Warnsignalen:

  • Politische Instabilität: Korruption, Machtkämpfe innerhalb der Eliten oder eine schwindende Legitimität der Regierung.
  • Militärische Bewegungen: Aufrüstung, Provokationen und verschärfte Rhetorik.
  • Wirtschaftliche Schwäche: Anzeichen wie steigende Inflation, Rohstoffengpässe oder stagnierende Märkte.

Wer die Pre-Impact-Phase beherrscht, ist in der Lage, Risiken nicht nur zu erkennen, sondern auch strategisch darauf zu reagieren. Wissen und Vernetzung sind dabei der Schlüssel. Informationen allein reichen nicht aus – sie müssen in einen Kontext gesetzt und richtig interpretiert werden.


Was Unternehmen und Staaten von Spezialeinheiten lernen können

Als ehemaliger KSK-Soldat habe ich gelernt, dass der Erfolg in der Vorbereitung liegt. Das bedeutet, sich ständig mit Risiken auseinanderzusetzen, Szenarien durchzuspielen und flexibel zu bleiben. Dieses Mindset lässt sich auch auf Unternehmen und Regierungen übertragen.

Erstens ist es wichtig, Risiken frühzeitig zu erkennen. Das erfordert ein wachsames Auge und die Fähigkeit, vermeintlich unverbundene Informationen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Zweitens müssen Strategien entwickelt werden, die auf unterschiedlichen Szenarien basieren. Und drittens ist Handlungsfähigkeit entscheidend: Wer in der Lage ist, schnell und effizient auf Veränderungen zu reagieren, hat einen entscheidenden Vorteil.

Diejenigen, die glauben, sie könnten sich auf ihre bisherigen Erfolge verlassen, werden von der Realität überrollt. Krisen entstehen nicht aus dem Nichts – sie sind das Ergebnis von Mustern, die längst sichtbar waren.


Das Grey Swan Problem als Chance

Das Grey Swan Problem ist keine Bedrohung, sondern eine Gelegenheit für diejenigen, die bereit sind, genauer hinzusehen. In einer Welt, die von Unsicherheit geprägt ist, liegt die wahre Stärke in der Fähigkeit, Frühindikatoren zu deuten und vorbereitet zu sein.

In einer Zeit, in der Wissen Macht bedeutet, trennt die Fähigkeit, Grey Swans zu erkennen, die Gewinner von den Verlierern. Wer sich auf vermeintliche „Black Swans“ beruft, hat einfach nur die Grey Swans übersehen.

Bleiben Sie wachsam, bleiben Sie vorbereitet.

Ihr
André Schmitt
Ex-KSK-Soldat, Profiler, Berater

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