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“Verschwörungstheorie” – Die gefährlichste Keule der Moderne

von André Schmitt – Ex-KSK, Profiler und Mediator

„Wer heute zu viel fragt, wird nicht mehr widerlegt – er wird etikettiert.“

Wir leben in einer Zeit, in der Worte zu Waffen geworden sind.
Nicht mit dem Ziel, Erkenntnis zu fördern, sondern um Denkprozesse zu unterdrücken. Einer der mächtigsten Begriffe dieser Art:
Verschwörungstheorie.

Woher kommt der Begriff?

Der Begriff „conspiracy theory“ wurde zwar schon im 19. Jahrhundert vereinzelt verwendet, bekam jedoch seine politische Schlagkraft erst in den 1960er-Jahren – insbesondere im Zuge der öffentlichen Zweifel am offiziellen Narrativ zur Ermordung von John F. Kennedy.

Damals wurde das Wort gezielt von der CIA in Umlauf gebracht – nicht als neutrale Beschreibung, sondern als Framing-Instrument, um kritische Stimmen als irrational, gefährlich oder „nicht ganz dicht“ erscheinen zu lassen. Das Ziel war klar:
Zweifel diskreditieren, bevor sie gefährlich werden.

Was bewirkt dieser Begriff?

Die Funktion ist perfide, aber effektiv:
Wer mit dem Label „Verschwörungstheoretiker“ belegt wird, ist ab sofort aus der Debatte ausgeschlossen.
Es braucht keine Argumente mehr gegen ihn – sein gesamtes Weltbild wird implizit entwertet.
Gleichzeitig signalisiert man den Mitlesenden: „Achtung, Kontaktvergiftung!“

So entsteht ein Klima, in dem nicht mehr gefragt, gezweifelt oder gestritten wird – sondern gezittert.
Vor dem nächsten Etikett.
Vor dem sozialen Ausschluss.
Vor dem Karrierenbruch.

Wer nutzt den Begriff?

Es sind vor allem zwei Gruppen:

  1. Die Naiven, die jede Systemkritik reflexartig als Unsinn abtun, weil sie nie gelernt haben, zwischen berechtigter Skepsis und wilder Fantasie zu unterscheiden.
  2. Die Strategen, die sehr genau wissen, dass sie kritische Stimmen dadurch mundtot machen können – politisch, medial oder gesellschaftlich.

Beide Gruppen haben gemeinsam: Sie ersetzen Diskurs durch Dominanz.

Wo stehen wir heute?

Inzwischen ist das Label „Verschwörungstheorie“ inflationär im Einsatz:
Wer den medialen Konsens infrage stellt, wer über Machtverflechtungen spricht, wer globale Strategien kritisch beleuchtet – läuft Gefahr, genau dort verortet zu werden.

Was dabei untergeht:
Ein Großteil der größten Skandale der Menschheitsgeschichte begann einst als „Verschwörungstheorie“:
Watergate, NSA-Überwachung, Cum-Ex, Maskendeals, Nordstream, Gladio, Operation Paperclip, Iran-Contra, Massenüberwachung, Deepfakes, Einflussnahme auf Wahlen…

Die Frage ist also nicht mehr:
„Gibt es Verschwörungen?“
Sondern:
„Wer darf sie aufdecken – und wer darf darüber sprechen?“

Warum dieser Artikel?

Weil wir an einem Punkt angekommen sind, an dem Denken gefährlich geworden ist.
Nicht das Denken an sich – sondern das eigenständige Denken.
Das Abweichen von der Mehrheitsmeinung.
Das Stellen unbequemer Fragen.

Wenn wir in einer Demokratie leben wollen, die diesen Namen verdient, dann brauchen wir keine Kampfbegriffe – wir brauchen Gesprächsräume.
Und wer Angst hat vor Fragen, der sollte sich weniger mit „Verschwörungstheorien“ beschäftigen –
und mehr mit sich selbst.

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