Wachsende Besorgnis in der EU über indische Black Operations gegen Dissidenten
Von André Schmitt, Ex-KSK-Soldat
Black Operations, verdeckte Operationen von Nachrichtendiensten, die darauf abzielen, Dissidenten zu bedrohen, einzuschüchtern oder zu eliminieren, sorgen zunehmend für Besorgnis in den westlichen Demokratien. Während das Augenmerk oft auf Russland gerichtet ist – wie etwa bei den mutmaßlichen Tötungen von über 60 Oppositionellen seit Beginn des Ukraine-Krieges – setzen auch andere Staaten verstärkt auf solche Maßnahmen. Diese Entwicklungen zeichnen ein beunruhigendes Bild des geopolitischen Umfelds.
Die wachsende Bedrohung durch staatlich unterstützte Black Operations
Autokratische Regime nutzen vermehrt Black Operations, um politische Gegner auch jenseits ihrer Landesgrenzen zu verfolgen. Beispiele aus Großbritannien zeigen, dass MI5 seit 2022 mindestens 20 von Iran unterstützte, potenziell tödliche Bedrohungen gegen britische Staatsbürger und Einwohner vereitelt hat. Ähnliche Berichte gibt es aus Europa, wo iranische, chinesische und türkische Geheimdienste Dissidenten einschüchtern, verfolgen und manchmal sogar entführen.
Besonders besorgniserregend ist die zunehmende Kooperation solcher Staaten mit kriminellen Organisationen, etwa Motorradgangs, Drogenkartellen oder Auftragsmördern. Diese Zusammenarbeit ermöglicht verdeckte Operationen wie Sabotage, Gewaltakte oder gezielte Tötungen auf europäischem Boden, ohne direkt in Verbindung mit staatlichen Akteuren gebracht zu werden.
Indien im Fokus
Auch Indien rückt zunehmend in den Mittelpunkt der Diskussionen über Black Operations. Das Land, das historisch in westlichen Ländern eher eine zurückhaltende Rolle spielte, zeigt nun eine wachsende Bereitschaft, auf fremdem Boden gegen vermeintliche Gegner vorzugehen. Insbesondere die Aktivitäten von Separatistenbewegungen wie der Khalistan-Bewegung, die einen unabhängigen Sikh-Staat fordern, sowie von Organisationen wie Babbar Khalsa International (BKI) oder der Khalistan Tiger Force, werden von Indiens Auslandsgeheimdienst RAW (Research & Analysis Wing) intensiv beobachtet.
Länder wie Deutschland stehen dabei besonders im Fokus. Bereits 2015 berichteten indische Medien, dass die ISI, der pakistanische Geheimdienst, pro-Khalistan-Gruppen in Deutschland unterstütze. RAW wiederum soll in Deutschland aktiv Netzwerke infiltriert und überwacht haben, um Separatistenbewegungen zu bekämpfen. In den letzten Jahren gab es wiederholt Berichte über die Verhaftung indischer Agenten, die in Deutschland und anderen europäischen Ländern Sikhs und kaschmirische Oppositionsgruppen ausspionierten.
Eskalationen und globale Auswirkungen
Ein Beispiel für diese Eskalation war die Ermordung von Hardeep Singh Nijjar, einem prominenten Khalistan-Aktivisten, am 18. Juni 2023 in Kanada. Die kanadische Regierung beschuldigte Indien offiziell, in diesen Mord verwickelt zu sein – ein seltener und schwerwiegender Vorwurf gegen eine Demokratie. Premierminister Justin Trudeau erklärte vor dem Parlament, dass „jede Beteiligung einer ausländischen Regierung an der Tötung eines kanadischen Staatsbürgers auf kanadischem Boden eine inakzeptable Verletzung unserer Souveränität darstellt“.
Diese Vorwürfe führten zu einer diplomatischen Krise zwischen Kanada und Indien, einschließlich des gegenseitigen Ausweisens von Diplomaten. Noch beunruhigender ist jedoch, dass kanadische Behörden inzwischen bestätigt haben, dass Indien offenbar kriminelle Organisationen wie die Bishnoi-Gruppe nutzt, um Zielpersonen im Ausland zu liquidieren. Ähnliche Muster zeigen sich auch in den Vereinigten Staaten, wo RAW-Agenten beschuldigt werden, Mordaufträge erteilt und kriminelle Netzwerke genutzt zu haben.
Interessen und verdeckte Methoden
Es ist wichtig zu verstehen, dass alle Staaten – unabhängig von ihrem politischen System – verdeckte Operationen einsetzen, um ihre nationalen Interessen zu sichern. Staaten haben wirtschaftliche, sicherheitspolitische und geopolitische Ziele, die sie durch solche Maßnahmen verfolgen. Das Besondere an Black Operations ist, dass sie es den Akteuren erlauben, nach außen hin sauber zu bleiben. Selbst wenn Beweise ans Licht kommen, können Regierungen ihre Beteiligung abstreiten und den „Unschuldigen“ spielen. Diese Strategie erlaubt es ihnen, ihre Macht zu demonstrieren, während sie öffentlich das Bild eines rechtschaffenen Staates wahren.
Die wachsende Akzeptanz dieser verdeckten Methoden führt jedoch zu einer schleichenden Erosion internationaler Normen und verstärkt die Unsicherheit in den internationalen Beziehungen. Je mehr Staaten diese Instrumente einsetzen, desto mehr geraten die betroffenen Länder in eine Abwärtsspirale gegenseitiger Verdächtigungen und Vergeltungsmaßnahmen.
Herausforderungen für die EU
Die zunehmende Nutzung von Black Operations durch Staaten wie Indien, Russland und Iran stellt europäische Sicherheitsbehörden vor erhebliche Herausforderungen. Ressourcenknappheit, bürokratische Hürden und mangelnde internationale Kooperation erschweren die effektive Bekämpfung dieser Bedrohung. Zudem steht Europa oft im Spannungsfeld zwischen Sicherheitsinteressen und geopolitischen Abhängigkeiten – etwa der Notwendigkeit, Indien als Gegengewicht zu China zu unterstützen.
Ein erster wichtiger Schritt wäre die europaweite Erfassung und Analyse von gefährdeten Personen und Organisationen, um Ressourcen gezielt einzusetzen. Doch dies erfordert mehr als bisherige Ansätze: eine stärkere Zusammenarbeit zwischen EU-Staaten und möglicherweise die Einrichtung einer eigenen EU-weiten Geheimdienstbehörde, wie es zuletzt der ehemalige finnische Präsident Sauli Niinistö vorschlug.
Fazit
Die wachsende Zahl von Black Operations zeigt, wie Staaten gezielt die Offenheit und Demokratie des Westens ausnutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Ob durch Einschüchterung, Gewalt oder gezielte Tötungen – diese Operationen stellen eine ernsthafte Bedrohung dar, die nicht ignoriert werden kann. Es liegt an Europa, entschlossen und vereint zu handeln, um seine Souveränität und die Sicherheit seiner Bürger zu schützen. Die Methoden mögen verborgen sein, doch ihre Auswirkungen sind real – und sie betreffen uns alle.