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Wenn keiner mehr haftet – Wie politisches Versagen zur Routine wurde

Autor: André Schmitt (Ex-KSK, Profiler und Mediator)


Man kennt es aus dem Alltag: Wenn ein Arzt pfuscht, haftet er. Wenn ein Unternehmer scheitert, verliert er Geld, Kunden oder seine Existenz. Doch in der Politik scheint ein anderes Gesetz zu gelten: Niemand ist verantwortlich – egal, wie groß das Versagen.

Ob tödliches Hochwasser, Sicherheitslücken, Energiekrisen, Bildungschaos oder Migrationsversagen – politische Fehlentscheidungen oder vorsätzliche Unterlassungen haben reale, oft katastrophale Konsequenzen. Doch Rücktritte? Konsequenzen? Strafverfolgung? Fehlanzeige.

Stattdessen erleben wir ein System struktureller Verantwortungslosigkeit. Es beginnt bei der Sprache: „Die Lage ist komplex“, „Es wurde nach bestem Wissen gehandelt“, „Im Nachhinein ist man immer schlauer“. Politiker agieren wie Manager in einem Unternehmen ohne Bilanz – sie entscheiden über Milliarden, Gesetze und Menschenleben, ohne je persönlich in Haftung genommen zu werden.

Ein besonders zynischer Aspekt: Je größer das Versagen, desto besser oft die Karriere. Wer sich in der Krise „tapfer geschlagen“ hat – ganz gleich wie realitätsfern oder ideologisch verbohrt seine Politik war – wird nicht entlassen, sondern befördert. Versagen ist kein Makel mehr, sondern Teil des Spiels.

Das erzeugt ein politisches Klima, in dem es nicht mehr darum geht, richtige Entscheidungen zu treffen – sondern darum, Schuld unsichtbar zu machen, Narrative zu kontrollieren und Aufmerksamkeit zu steuern.
Die Folge:

  • Warnungen werden ignoriert.
  • Expertise wird politisiert.
  • Verantwortung wird in Gremien, Kommissionen und EU-Richtlinien ausgelagert.

Der Bürger, der die Rechnung zahlt – mit Steuern, Lebensqualität oder im schlimmsten Fall mit seinem Leben – steht am Ende vor einem absurden Szenario: Er muss gehorchen, zahlen und hinnehmen – aber darf keine Antworten erwarten.

So entsteht ein tiefes Misstrauen, das nicht durch Populismus oder „Fake News“ erzeugt wird, sondern durch die gelebte Realität politischer Immunität. Eine Realität, in der politische Ämter mehr mit persönlichem Schutz als mit öffentlicher Verantwortung zu tun haben.

Die Gefahr ist real: Wenn Politik keinen Preis mehr kennt, kennt sie auch keine Grenzen mehr.
Denn wo Macht ohne Haftung existiert, wird früher oder später jede Grenze überschritten – nicht aus Böswilligkeit, sondern weil es keine Rückkopplung mehr gibt. Kein Korrektiv. Kein „Game over“.

Eine gesunde Demokratie braucht Fehler. Aber sie braucht auch Konsequenzen. Sonst wird aus Verantwortung nur noch ein Wort im Wahlkampf – und aus dem Staat ein Selbstbedienungsladen mit Pressekonferenz.

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