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Wer schützt die, die uns schützen sollten?

Von André Schmitt (Ex-KSK, Profiler und Mediator)

Sie fahren mit Blaulicht, wenn andere fliehen. Sie gehen dazwischen, wenn alle weggucken. Sie sichern, helfen, retten – und sie tun es oft, ohne Dank. Denn wer heute in Uniform arbeitet, steht nicht mehr auf der sicheren Seite. Er steht zwischen den Fronten. Feuerwehrleute, Sanitäter, Polizisten, Soldaten, Lehrer, Gerichtsvollzieher, Justizbeamte – sie alle tragen Verantwortung. Und immer öfter auch die Last, der Blitzableiter einer zerrissenen Gesellschaft zu sein.

Was früher mit Respekt verbunden war, ist heute Zielscheibe. Nicht weil die Aufgabe sich verändert hätte – sondern weil das Klima sich verschoben hat. Die Autorität des Staates wird zunehmend infrage gestellt. Und mit ihr auch jene, die sie im Alltag vertreten. In einer Zeit, in der Regeln als Zumutung gelten und jede Maßnahme sofort skandalisiert wird, stehen die, die durchgreifen müssen, unter Dauerverdacht. Egal wie sie handeln – es ist immer falsch für jemanden.

Die Polizei steht bei Demos zwischen Extremisten. Wird sie hart, ist sie „brutal“. Bleibt sie zurückhaltend, ist sie „inkompetent“. Die Feuerwehr wird bei Einsätzen behindert oder sogar attackiert. Sanitäter müssen auf Bodycams zurückgreifen, weil sie während der Hilfeleistung bedroht werden. Lehrer erleben, wie Autorität untergraben wird – nicht durch Schüler allein, sondern durch ein System, das sie zur Ohnmacht erzieht. Und Soldaten, die einst als Verteidiger des Friedens galten, werden belächelt oder ignoriert – solange sie nicht helfen, Sandsäcke zu stapeln.

Die Frage ist nicht, ob diese Menschen ihren Job machen. Die Frage ist, wie lange sie ihn noch machen können. Denn das Rückgrat jeder Ordnung ist nicht der Einsatzbefehl – es ist der Rückhalt. Und der schwindet. Nicht nur in der Bevölkerung, sondern vor allem in der Politik. Wer die Sicherheitskräfte ruft, wenn es brennt, sie aber vorher durch Budgetkürzungen, bürokratische Fesseln und öffentliche Demütigung schwächt, der handelt nicht fahrlässig. Er handelt verantwortungslos.

Der Staat darf nicht nur auf dem Papier stark sein. Er muss sich auch schützend vor jene stellen, die seine Handlungsfähigkeit verkörpern. Wer eine Gesellschaft stabil halten will, muss die tragenden Säulen stützen. Und nicht erst dann, wenn sie zu bröckeln beginnen. Es braucht nicht mehr Applaus. Es braucht mehr Haltung. Mehr Schutz für die Schutzkräfte. Mehr Klarheit, was erlaubt ist – und was nicht. Und es braucht eine öffentliche Anerkennung, die nicht nur dann kommt, wenn das Medienecho passt.

Denn was passiert, wenn die, die helfen sollen, nicht mehr helfen wollen? Wenn der Respekt so stark erodiert, dass der Rückzug beginnt? Wenn der Rettungssanitäter kündigt, der Lehrer Dienst nach Vorschrift macht und der Beamte wegschaut, um sich selbst zu schützen? Dann stehen wir vor einem Kollaps – nicht durch äußere Gewalt, sondern durch inneren Verfall.

Der Mensch, der hilft, ist kein Werkzeug. Er ist kein Ziel. Er ist kein Sündenbock. Er ist das Letzte, was zwischen Ordnung und Chaos steht. Und vielleicht ist es an der Zeit, ihn wieder so zu behandeln.

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