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Blackout, Flucht aus der Stadt

Blackout Fiktion Tag 6 – Flucht aus der Stadt

Als der neue Tag beginnt, wachen unsere beiden Protagonisten auf und müssen sich sortieren. Was haben sie in den letzten Tagen nicht alles erlebt. Szenen die undenkbar schienen. Und auch jetzt gerade befinden sie sich in einem überaus seltsamen Zustand. Angst, Durst und Hunger sind gemischt mit einer eigenartigen Lethargie. Sie wollen eigentlich nur weg von hier, Flucht aus der Stadt. Aber wohin? Wann immer sie mit Leuten gesprochen haben, schien es, als ob es keine Fluchtmöglichkeit gäbe. Das gesamte Land ist betroffen und da niemand sagen kann, ob und wann der Strom zurückkehren wird, scheint jede Bewegung sinnlos. Auf der anderen Seite haben sie erlebt, dass selbst die beste Vorbereitung zur Gefahr werden kann, wenn man nur den kleinsten Fehler macht.

Der Entschluss

Sie beschließen dennoch eine Flucht aus der Stadt, da ihnen das Gewaltpotenzial hier deutlich höher erscheint. Die Erlebnisse von Herrn Bock auf dem Dorf zu Beginn der Krise erscheinen geradezu paradiesisch. Ohne wirkliche Idee packen die beiden zwei Rucksäcke mit allem was ihnen in diesem Moment nützlich erscheint. Sie wissen nicht, ob und wann sie noch einmal in diese Wohnung zurückkehren werden und daher nehmen die beiden außer Kleidung, auch alles an essenziellem mit die sie finden können. Zum Schluss packen die beiden auch ihre Laptops und Handys mit ein, in der Hoffnung, diese vielleicht irgendwo aufladen oder eintauschen zu können. Frau Müller erinnert sich noch an eine hässliche Goldkette, die sie vor Jahren von ihrer Großmutter bekommen und nie angelegt hat. Wie sinnlos erscheint nun die Anschaffung des neuesten Smartphones vor ein paar Wochen. Ohne Strom ist das Gerät ohne jeden Wert. Andere Gegenstände von Wert besitzen beide nicht. Zwar haben sie vor der Krise gut verdient, aber ihre Ersparnisse liegen auf der Bank gut investiert in einem Aktienfond. Nichts davon lässt sich ohne Strom abgreifen und so sind sie binnen weniger Tage aus der deutschen Mittelschicht auf eine Stufe mit den zuvor stets ignorierten Bettlern und Obdachlosen katapultiert worden. Sie wechseln einen Blick und dann setzen sie die Rucksäcke auf. Herr Bock war immer sportlich aber der planlos gepackte Rucksack zieht schwer an seinem ausgehungerten Körper. Ihm wird klar, dass sie sich beeilen müssen, wenn Sie die wenigen Kilometer bis aus der Stadt zu Fuß bewältigen wollen. Unser Pärchen startet die Reise ohne Ziel.

Die Stadt ist und bleibt eine Gefahrenzone

In der Innenstadt fühlen sie sich schon nach kurzer Zeit, als hätten sie eine Zielscheibe auf dem Rücken. Mit den schweren Rucksäcken fallen sie unheimlich bei ihrer Flucht aus der Stadt auf und spüren wie ihnen die Blicke folgen. Alle paar Meter rufen Stimmen mal flehentlich mal drohend dazu auf, den Inhalt der Rucksäcke zu teilen. Herr Bock ärgert sich. Hätte er doch wenigstens ein Küchenmesser mitgenommen. An einer Kreuzung dann passiert es. Aus der Seitenstraße treten auf einen Schlag mehrere Gestalten und umringen die beiden. Hämisch werden sie nach Ziel und Zweck der Reise gefragt. Der nächste Satz macht schon deutlich, dass die Weiterreise kosten würde und noch bevor Herr Bock ein Wort erwidern kann, trifft ihn ein Hieb, der ihn mit blutender Nase zu Boden wirft. Frau Müller wirft sich mutig zwischen Herrn Bock und die Angreifer. Sie schreit, fleht und bietet an, ihnen alles zu überlassen. Sie kramt in ihrem Rucksack und zeigt den Plünderern, dass außer einigen Sachen nichts in ihrem Rucksack ist. Enttäuscht lassen die Angreifer von ihnen ab. Offenbar und zum Glück der beiden fehlt auch der Bande die Lust und Kraft sie weiter zu quälen. Bevor sie es sich anders überlegen können, zerrt Frau Müller Herrn Bock hoch und weiter geht es. Zum Glück kommt keiner aus der Gruppe auf die Idee auch den Rucksack von Herrn Bock zu kontrollieren. Sie bringen so schnell wie möglich Distanz zwischen sich und die Angreifer. Lange nach dem sie außer Sicht sind, muss Herr Bock anfangen zu lachen. Die beiden freuen sich für einen kurzen Moment dank Frau Müllers Einsatz recht glimpflich aus dieser Situation gekommen zu sein. Sie beschließen nun jeden Kontakt zu anderen Menschen zu meiden und viel vorsichtiger weiter zu gehen.

Energische Dorfbewohner

Sie erreichen am Mittag den Rand der Stadt und als sie eine weitere Stunde später auf einem Feldweg eine kurze Pause machen, fühlen sie sich müde und hungrig, aber nicht in akuter Lebensgefahr. Am Feldweg stehen einige Apfelbäume. Die kleinen harten Früchte sind extrem sauer, dennoch essen die beiden so viel davon wie sie finden können. Irgendwo hat Herr Bock auch mal gehört, dass viele einheimische Pflanzen essbar sind. Leider kann er sich partout nicht daran erinnern, welche das waren und so beschließen sie auf den Versuch lieber zu verzichten. Als sie das erste kleine Dorf erreichen, werden sie von jedem den sie um Hilfe bitten, bei ihrer Flucht aus der Stadt, weiter geschickt. Zwar sehen die Bewohner hier durchaus nicht so ausgemergelt aus, wie die Menschen denen sie in der Stadt begegnet sind, dennoch hat offenbar auch hier niemand etwas zum Abgeben übrig. Die von den beiden mitgeführten Elektrogeräte und selbst die Goldkette erweisen sich als nutzlos. Auch die Leute hier wissen nicht, ob und wann sich die Verhältnisse wieder bessern werden und geben daher nichts von ihren Vorräten ab. Energischer zu fragen verbietet sich, da sie schon kurz nach ihrer Ankunft von einem Mann, der sich als Jäger vorstellt aus dem Dorf verwiesen werden. Das Gewehr hält der Mann zwar auf den Boden gerichtet, dennoch wird klar, wer in der Situation das Sagen hat. Das Paar wird nun auch von der Illusion befreit, dass es auf den Dörfern Bauernhöfe und damit Essen im Überfluss gibt. Sie erfahren, dass schon drei Tage nach Ausfall des Stroms die riesigen Bestände an Geflügel verstorben sind. Die in Massentierhaltung untergebrachten, zigtausend Vögel sind nach Ausfall der hofeigenen Notromversorgung und Ausfall der Lüftung elendig an ihrer eigenen Körperwärme und den giftigen Gasen ihrer Ausscheidungen verendet. Der Metzger schlachtet seit Tagen im Akkord Rinder, die vor Schmerzen schreien. Da die Hochleistungskühe nicht mehr maschinell gemolken werden konnten, haben sich die Euter entzündet. Obwohl die Räucheröfen des Dorfes allesamt qualmen, verdirbt ein Großteil des Fleisches ohne Kühlung oder ist durch Krankheit der Tiere ungenießbar. Teilen oder abgeben will dennoch kein Dorfbewohner, sie alle wissen, dass nach der kurzen Phase des Überflusses eine Durststrecke von unbekannter Länge folgen wird. Wenigstens ihre Wasserflaschen dürfen die beiden an einer Handpumpe auf einem der Grundstücke auffüllen. Sie gehen weiter und fragen sich was sie wohl tun werden, wenn sie auch im nächsten Dorf weggeschickt werden. Als es dämmert kriechen die beiden in einen Hochstand an einem Feldrand und decken sich mit ihren Pullovern zu. Ein Teelicht am Boden spendet ein kleines bisschen Licht. Was der nächste Tag bringt weiß keiner der beiden.

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